Richard Linklaters Kinoromanze mit Julie Delpy Before Sunset: Paris poliert die Liebe

Fast zehn Jahre nach der ersten romantischen Begegnung von Jesse und Céline in Wien, die nur wenige Stunden dauerte, eben "Before Sunrise", treffen sich die beiden wieder - in Paris. Viel früher schon wollten sich der Amerikaner und die Französin eigentlich wiedersehen. Aber ihre Wege führten sie auseinander.

Jesse ist nun verheiratet und schon Vater, Celine hat etliche Männerbeziehungen hinter sich und derzeit einen Freund, der nicht die große Liebe ist. Das ist die private Konstellation, wenn sie sich wieder begegnen in dem Film "Before Sunset", der am 17. Juni in die Kinos kommt. Und es ist eine Begegnung in Paris, der Stadt der Liebe, die Heimatstadt Celines. Jesse liest dort in der berühmten Buchhandlung "Shakespeare and Co." aus seinem Erfolgsroman, heimlich beobachtet von Celine, die offenbar von der Lesung erfahren hat. Eigentlich hat der ebenso verblüffte wie erfreute Amerikaner wenig Zeit für die Französin, denn schon wartet das Flugzeug zur Heimreise. Aber der Zauber der Frau und der faszinierenden Stadt kann sich Jesse dann doch nicht entziehen.

Nun beginnt ein Spaziergang des Paares, der durch die reizvollsten Gassen führt und in Celines Wohnung enden wird. Linklater hat das so attraktiv in Szene gesetzt, dass man gleich seinen Koffer packen möchte, um ebenfalls nach Paris zu fahren, auch wenn dort keine Celine wartet. Auf dem Weg, unterbrochen von der Einkehr in ein hübsches Café, unterhalten sich die Frau und der Mann ununterbrochen. Die Fremdheit, die nach der langen Trennung nur zu natürlich ist, weicht allmählich dem Bedürfnis, sich immer freimütiger auszutauschen über das, was das Leben den Celine und Jesse in den vergangenen Jahren beschert hat.

Auch eine Reflexion über Vergänglichkeit der Zeit

Es wird deutlich, wie viele Illusionen und Hoffnungen geplatzt sind, wie ernüchternd das Erwachsensein ist. Aber zu ambitioniert oder gar quälend wird das Gespräch des Paares schon deshalb nicht, weil es vor einer der schönsten Kulissen der Welt abläuft. Paris ist zweifellos der dritte Hauptdarsteller dieses Films eines Amerikaners, der zugleich eine Liebeserklärung an die europäische Stadt gedreht hat. Natürlich sind es besonders schöne Ecken der französischen Hauptstadt, die ins Bild kommen und eine einzige Einladung sind. Es wäre keine schlechte Idee, auch vom ungeteilten Berlin mal einen Film zu machen, in dem nicht nur Marzahn, Bahnhof Zoo und Klein-Istanbul in Kreuzberg zu sehen wären.

Gleichwohl ist Berlin nun einmal nicht so attraktiv wie das weitgehend unzerstört gebliebene Paris. Und mit dem romantischen Amerikaner Ethan Hawke und der kapriziösen Französin Julie Delpy hat Regisseur Linklater zwei Hauptdarsteller, die einem im Laufe des nur 80-minütigen Films immer sympathischer werden. Wer beide noch von ihrem ersten gemeinsamen Auftritt in "Before Sunrise" in Erinnerung hat, wird die Veränderung der Schauspieler in den vergangenen neun Jahren durchaus bemerken. Hawke wirkt nachdenklicher und männlicher, Delpy nüchterner und fraulicher.

Der Film von Linklater ist auch eine Reflexion über die Vergänglichkeit der Zeit und darüber, wie die Zeit die Menschen samt ihren Vorstellungen vom Leben verändert. Dass auch ernste Probleme ganz federleicht serviert werden, ist eine der besonderen Qualitäten eines Films, der Verliebten und solchen, die sich noch an diesen emotionalen Ausnahmezustand zu erinnern vermögen, besonders zu empfehlen ist. Aber auch für all jene, deren Befindlichkeit eher dem Trübsinn zuneigt, ist "Before Sunset" eine garantiert unschädliche Aufheller-Droge: Diesen Film verlässt niemand in schlechter Laune. Vielleicht gibt es ja in einigen Jahren ein weiteres Wiedersehen von und mit Celine und Jesse. Freuen wir uns darauf!

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