Film-Kritik Barfuss: Zartes Mauerblümchen

Beunruhigend: Nick findet in seinem Bett eine Frau, an die er sich nicht erinnern kann. Der junge Mann scheint wenig Glück im Leben zu haben. Gerade hat der Hartz-IV-Kandidat seinen Job als Reinigungskraft in einer psychiatrischen Anstalt verloren. Doch er verhinderte vor Verlassen der Kurzzeit-Arbeitsstätte noch den Selbstmord der jungen Patientin Leila. Das hat ungeahnte Folgen: Leila flieht und folgt Nick nun auf Schritt und Tritt.

 Die Patientin Leila folgt Nick auf Schritt und Tritt.

Die Patientin Leila folgt Nick auf Schritt und Tritt.

Foto: BUENA VISTA, AP

Was daraus wird, erzählt ab dem 31. März der deutsche Kinofilm "Barfuss" von und mit Til Schweiger. Viel Ehrgeiz hat Schweiger, der auch die männliche Hauptrolle spielt, produziert und am Drehbuch mitgearbeitet hat, in seine zweite Regiearbeit gesteckt. Er wollte klotzen und nicht kleckern, davon zeugt die Besetzungsliste mit vielen bekannten Namen des einheimischen Filmschaffens, zu denen auch Altstar Nadja Tiller als Nicks ratlos-bemühte Mutter gehört, ebenso wie der sichtliche Aufwand für die breitformatigen Bilder von Kameramann Christof Wahl.

Mit Johanna Wokalek als Leila hat Schweiger eine der begabtesten deutschen Nachwuchsdarstellerinnen als Partnerin aufgeboten. Wokalek verkörpert mit mädchenhafter Verletzlichkeit ihre Kinofigur Leila. Doch hat diese einen Makel, der zugleich der des gesamten Filmes ist, nämlich seine offensichtliche Konstruiertheit und mangelnde Glaubwürdigkeit. Wer kann sich schon wirklich einen solch gut aussehenden, stets smart wirkenden Typen wie Schweiger als Dauerversager vorstellen?

Schweiger als originärer Filmemacher überfordert

Und wenn Wokalek als naives Mauerblümchen stets barfüßig hinter Nick im Entengang watschelt, dann soll der Zuschauer mit aller Gewalt angerührt werden, aber eben mit etwas zu aufdringlich. Steffen Wink als Nicks überangepasster Bruder kann keinen differenzierten Charakter darstellen, weil das Drehbuch ihn nur als ehrgeizigen Miesling vorgesehen hat. Echte Emotionen erzeugt das handwerklich durchaus solide in Szene gebrachte Geschehen auf der Leinwand selten. Die Tatsache, dass neben Schweiger noch vier andere Autoren am Script gebastelt haben, verrät etwas über die Krampfhaftigkeit, um fast jeden Preis deutsches Hollywood-Format zu erzielen.

Doch das geht halt ein ums andere Mal daneben, wenngleich in diesem Fall für den Besucher glimpflich. Der mit einer amerikanischen Frau verheiratete Schweiger hat im kalifornischen Film-Mekka sein Glück versucht, dort aber den großen Durchbruch nicht geschafft. Das ist nicht weiter tragisch für den Vater von vier Kindern, gilt er doch in Deutschland weiter als Star und Frauenschwarm, dem viele Wege offen sind. Als Schauspieler hat der gebürtige Hesse allemal eine Zukunft. Als originärer Filmemacher, das lässt sich nach seiner zweiten Talentprobe urteilen, wohl eher nicht.

(ap)
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