Alle Kinokritiken-Artikel vom 01. Juni 2004
Alt, neu, geliehen & blau: Undogmatische Komödie

Ab 3. Juni 2004 im KinoAlt, neu, geliehen & blau: Undogmatische Komödie

Wenn das Drehbuch stimmt, ist gute und intelligente Unterhaltung auch ohne ein Hollywood-Budget möglich. Das beweist die dänische Komödie "Alt, neu, geliehen und blau", die am 3. Juni in den deutschen Kinos anläuft. In dem Streifen geht es um eine Braut, die sich nicht traut. Und der Regisseur versteht es in dem Streifen, seinen Selbstverwirklichungsdrang zu Gunsten der Schauspieler zurückzustellen. Der von den Dänen erfundene puristische Dogma-Stil, der den gewohnten filmischen Illusionismus verbietet, erweist sich auch im achten Dogma-Film als gelungener Trick, um das altbackene Komödienthema "Ganz in Weiß" in neuer Frische aufleben zu lassen. Alles scheint in Butter für Katrine, die mit Jonas einen perfekten Verlobten hat und kurz davor steht, in den sicheren Hafen der Ehe einzulaufen. Ein Schatten jedoch trübt die Harmonie: Katrine traut sich nicht, ihrer Schwester Mette von ihrer Hochzeit zu erzählen. Denn Mette befindet sich in der geschlossenen Psychiatrie, seit ihr schwedischer Verlobter Thomsen sie vor zwei Jahren sang- und klanglos sitzen gelassen hat. Dass vielleicht mehr hinter Katrines vermeintlich schonungsvollem Flunkern steckt, ahnt man, als Thomsen plötzlich vor ihrer Tür steht. Der zauselige Aussteiger, der zwei Jahre in Kenia war, platzt mitten in den Countdown zur Hochzeit. Er bekocht Jonas und Katrine mit einem schaurigen, afrikanisch inspirierten Mahl und zecht, als Jonas außer Gefecht gesetzt ist, mit der niedlichen Schwester seiner Ex-Verlobten Mette fröhlich weiter. "Schau nach links, dort ist ein Schwede", lautet der Originaltitel dieser Komödie, die ein dänisches Bonmot aufnimmt. Der deutsche Titel bezieht sich auf einen abergläubischen Hochzeitsbrauch und wird zum roten Faden der Geschichte: Am nächsten Morgen begeben sich Katrine und Thomsen auf die Suche nach etwas Altem, Neuem, Geliehenem und Blauem, den traditionellen Brautgeschenken. Blau sind zum Beispiel die Ecstasy-Tabletten, die beide einwerfen, doch auch der Rest der Hochzeitsgesellschaft - Brautjungfern, Bräutigam und Freunde - bedröhnt sich mit allem, was in Greifweite ist. Entnervter PfarrerPolterabende auf Dänisch: Das kollektive Ausflippen, bei dem die Dänen das Klischee bestätigen, "die Italiener unter den Skandinaviern" zu sein, klärt die Fronten. Dabei kommen auch lebensbedrohliche Wahrheiten ans Licht - doch Halbwahrheiten und barmherzige Schwindeleien führen in die Irre, so lautet die beiläufige Botschaft dieses temperamentvollen Films, in der sich nicht nur Katrine der Realität stellen muss: Erwachsen werden ist mit Schmerzen und unpopulären Entscheidungen verbunden. Dank der Dogma-Machart, die mit Wackelkamera immer nah an den spielfreudig improvisierenden Darstellern dranbleibt, erscheinen ihre Verrücktheiten ebenso nachvollziehbar wie der Zickzack-Kurs zwischen Tragik und Komik. Eine besonders innovative Erfindung im Hochzeitsfilm-Genre, das sonst gerne mit einer Lizenz für geballten Stumpfsinn verwechselt wird, ist ein Pfarrer, der in unchristlicher, aber nachvollziehbarer Genervtheit die komplette Hochzeitsbagage aus der Kirche wirft. Und da in Dogma-Filmen keine Musik aus dem Off ertönen darf, taucht eben eine echte Band auf, wenn die melancholische Mette ihre Kopfhörer aufsetzt und ihrer vergangenen Liebe hinterher trauert. Ganz wie im wahren Leben strandet diese bitter-süße Komödie statt im Hafen eines Happy-Endes denn auch an den unsicheren Gestaden eines wankelmütigen "Ja - vielleicht".