Alle Kinokritiken-Artikel vom 02. Februar 2004
"School of Rock": Rock'n'Roll auf dem Stundenplan

Komödie kommt allzu harmlos daher"School of Rock": Rock'n'Roll auf dem Stundenplan

Frankfurt/Main (rpo). Noch ein Film über eine Eliteschule. Doch anders als Julia Roberts, die sich an dem dem Internat Wellesley als Lehrerin versucht, will Dewey Finn (Jack Black) aus seinen Fünftklässler ausgewachsene Rockstars machen und mischt dafür in der Komödie "School of Rock" die ganze Schule auf.Jack Black, der ein wenig an Meatloaf erinnert, ist im "richtigen Leben" Leadsänger der Gruppe Tenacious D. Als Schauspieler wurde er durch die Rolle des sarkastischen Angestellten in John Cusacks Plattenladen in "High Fidelity" bekannt. Seine Rolle in "School of Rock" hat ihm der Drehbuchautor und Darsteller Mike White auf den massigen Leib geschrieben. White ist im Film noch in der Rolle des Ned Schneebly zu sehen, der sich mit dem verkannten Rock'n'Roller Dewey eine Wohnung teilt. Black & White: Auch im Film sind sie ein hübsches Gegensatzpaar, ein ordentlich gewordener Aushilfslehrer, der seine wilden Jahre überwunden hat, und ein Freak, der gerade von seiner Band gefeuert worden ist. Mit seinem Mietanteil ist Dewey schon Monate im Rückstand, was Neds superkorrekte Freundin Rosalie (Joan Cusack) besonders empört. Sie würde den Freund ihres Freundes am liebsten rausschmeißen. Als Dewey die Möglichkeit sieht, endlich zu Geld zu kommen, greift er sofort zu. Er gibt sich als Ned Schneebly aus und nimmt einen Job als Aushilfspauker in einer Eliteschule an. Kaum hat er sich seinen neuen Zöglingen vorgestellt, schnorrt er von ihnen ein Pausenbrot, weil er noch nicht gefrühstückt hat. Dann verordnet er Nichtstun. Doch die strebsamen Kleinen stellen ihn zur Rede wegen des vielen Geldes, das ihre Eltern bezahlen. Von den üblichen Schulfächern hat Dewey natürlich keinen blassen Schimmer, nur vom Rock'n'Roll. Also krempelt er kurzerhand den Lehrplan um und unterrichtet das, wovon er am meisten Ahnung hat (was man generell vielen Lehrern empfehlen möchte). Fortan besteht der Reiz des Films darin, dass die angepassten Oberklassenkinder dazu angeleitet werden, sich nonkonformistisch zu verhalten. Rock'n'Roll ist schließlich in erster Linie ein Lebensgefühl und bedeutet, "es den Bossen richtig zu zeigen". Das lernen deren Kinder von dem exzentrischen Aushilfslehrer. Wenn ihm allerdings selber zu viel Opposition auf die Nerven geht, müssen sie mit Hand auf dem Herzen schwören, ihrem Lehrer nicht zu widersprechen. Trotz dieser hübschen Handlung ist "School of Rock" nicht ohne Einschränkung zu empfehlen. Richard Linklater inszeniert manchmal an der Realität vorbei. Zum Beispiel fallen die wohl ziemlich lauten Stunden, in denen der Auftritt zum Band-Wettbewerb geübt wird, in der Schule nicht auf. Allzu harmlos kommt die Komödie daher. Märchen werden Filme gerne genannt, in denen ein gewisser Realitätsverlust vorherrscht. Aber so schnell wie in "School of Rock" wird in keinem Märchen aus einem Loser ein Champion.

"Kitchen Stories": Junggesellen in der Küche

Oscarnominierte norwegische Komödie"Kitchen Stories": Junggesellen in der Küche

Frankfurt/Main (rpo). Hört man von Schweden und Küchen, denkt man wohl unweigerlich an eine große skandinavische Möbelhauskette. Ob man dort jedoch schon einmal nachgeforscht hat, wie groß die Strecke ist, die eine schwedische Hausfrau in einem Jahr beim Kochen zurücklegt, darf bezweifelt werden. Dafür gibt es jetzt den Film "Kitchen Stories".Die Strecke entspricht demnach der Entfernung zwischen Schweden und dem Kongo. Das schwedische "Institut für Heim und Haushalt" will die Laufzeit durch eine funktionellere Küchengestaltung auf die Distanz Schweden-Norditalien reduzieren. Die norwegisch-schwedische Tragikomödie "Kitchen Stories", die am 5. Februar anläuft, spielt zu Beginn der 50er Jahre; ein solches Küchen-Projekt und sogar seine Ausweitung auf die Herde männlicher Junggesellen erscheint angesichts der Technikgläubigkeit der Nachkriegsepoche durchaus glaubhaft. Die Nachwehen dieses Rationalisierungswahns sind heute noch im unschlagbar praktischen Design eines legendären blaugelben Möbelhauses zu erkennen. Man sollte sich aber keinesfalls von der nüchternen wissenschaftlichen Anmutung dieses Films beirren lassen, denn er gehört zum Bizarrsten und Liebenswertesten, was seit den Käuzen in "Elling" aus Skandinavien auf internationale Leinwände gelangt. 18 graumäusige schwedische Feldforscher schwärmen in 18 identischen eiförmigen Wohnwägen ins winterliche Norwegen aus, um sich in den Küchen norwegischer Singles einzunisten und deren Bewegungen haarklein zu kartografieren. Ein Härtefall ist der Bauer Isaak, der sich nur mit Mühe dazu bewegen lässt, den Feldforscher Folke in sein Haus zu lassen, - fühlt sich das Versuchskaninchen doch zu Recht um seine Belohnung für die Teilnahme an dem Experiment betrogen. Man muss sich dieses so vorstellen: Folke sitzt im riesigen kindersitzähnlichen Hochstuhl in der Küchenecke und beobachtet von oben zum Beispiel, wie der grimmige Alte sich am Tisch eine Pfeife stopft und seinen Tee trinkt. Es herrscht absolutes Schweigegebot. Nur nachts verzieht sich Folke in sein Wohnwagen-Schneckenhaus, wo er als einzige Zerstreuung Radio hört. Die Belagerung nervt Isaak selbstverständlich, und so verlegt er das Kochen in sein Schlafzimmer und bohrt ein Loch in die Decke, um den Beobachter und dessen Aufzeichnungen zu beobachten. Und auch sonst verhalten sich beide nicht nach Plan: Als Folke bei einem Imbiss heimlich Isaaks Salzstreuer nutzt und auf einen anderen Platz zurückstellt, brechen allmählich die Dämme. Meisterschaft in der Kunst des AbsurdenDer Witz dieses Kammerspiels liegt einmal im eklatanten Widerspruch zwischen Theorie und Praxis und in der Ernsthaftigkeit, mit der Folkes Chefs diese abstruse - und allerorten scheiternde - Feldforschung überwachen. Und andererseits im lakonischen Prozess der Fraternisierung der beiden Hagestolze: Ist der Beginn dieser herbsüßen Komödie eine oft poetische Veranschaulichung von Isaaks genügsamer Existenz im abgelegenen Bauernhaus, so verwandelt sich das wortlos-feindselige Katz- und Maus-Spiel bald in ein Ballett winziger Annäherungen, die ebenso von Buster Keaton wie von Jacques Tati inspiriert sind. Die zwischenmenschliche Temperatur steigert sich so schnell von eisig auf herzlich, dass Isaaks einziger Freund Grant eifersüchtig wird. Und spätestens wenn sich Folke und Isaak mit einem inbrünstigen "Skol!" zuprosten und Folke von seinem strengen Versuchsleiter mit einem Katzenfell um den Hals erwischen lässt - denn nur das hilft laut Isaak gegen Grippe - erweist sich, dass der Faktor Mensch einfach unberechenbar bleibt. Über den Mainstream einer gemütvollen Tragikomödie hinaus erhebt sich "Kitchen Stories" aber nicht nur durch seine Anspielungen auf den tiefsitzenden Zorn, den die Norweger, im Krieg von der deutschen Wehrmacht besetzt, gegen die neutralen Schweden hegten. Regisseur Bent Hamer, der bereits die seltsame Tragikomödie "Eggs" gedreht hat, zeigt zudem erneut seine Meisterschaft in der Kunst des Absurden und gestaltet die Kulissen in einem surrealen, grünlichen Retro-Design. Die Bürokratenkultur, die Folkes und Isaaks Freundschaft bedroht, trägt kafkaeske Züge, und bei allem tränenrührenden Gemenschel gewinnt dieses Universum von auf sich selbst zurückgeworfenen Junggesellen besonders am Ende einen leicht unheimlichen Anstrich. Jedenfalls wünscht man diesem in vieler Hinsicht ungewöhnlichen Film ebenso den Oscar, für den er gerade nominiert wurde, wie eine Menge Zuschauer.