Alle Kinokritiken-Artikel vom 12. Januar 2004
"Montags in der Sonne": Windmühlen aus Spanien

"Montags in der Sonne": Windmühlen aus Spanien

Dass das Genre von tragisch-komischen Sozialdramen nicht allein dem britischen Film vorbehlaten ist, beweist der spanische Regisseur mit seinem Film "Montags in der Sonne." Er handelt von nichts weniger als dem alltäglichen Kampf gegen Windmühlen.Das Leben bietet den arbeitslosen Werftarbeitern in der spanischen Hafenstadt Vigo nicht mehr viele Perspektiven. Während Frauenschwarm Santa sich mit großer Klappe, einer gewaltigen Portion Ironie und Improvisationstalent durchschlägt, kommen seine ehemaligen Kollegen und Freunde mit der Ausweglosigkeit der Situation weniger gut klar. Doch ihre Freundschaft trotzt der Tristesse der ewig gleich ablaufenden Tage. "Los Lunes al sol" statt "Brassed off"Dem spanischen Regisseur Fernando León de Aranoa ist mit "Montags in der Sonne" eine Sozialstudie gelungen, die man in dieser Art durch Filme wie "Ganz oder gar nicht" und "Brassed off - Mit Pauken und Trompeten" besonders aus England kennt. Santa (Javier Bardem), Lino (José Angel Egido) und José (Luis Tosar) treffen sich täglich auf der Fähre "Lady Espana", welche die Menschen über die Bucht zur Arbeit bringt. Bis vor drei Jahren bauten die drei selbst die Schiffe. Nach einem harten Arbeitskampf hat ihre Firma die Werft geschlossen, um das Gelände in teure Eigentumswohnungen zu verwandeln. Einige der damaligen Kollegen haben sich wie Kneipenwirt Rico (Joaquín Climent) eine eigene Existenz aufgebaut, andere schlagen sich mit Hilfsjobs durch. Ein Leben in WartezimmernLino versucht trotz zahlreicher Rückschläge nach wie vor einen Job zu finden, für den er weder zu alt noch zu unqualifiziert ist. So verbringt er die meiste Zeit seines Tages in den Vorzimmern der Personalbüros. José, mit Anfang Vierzig der Jüngste der Gruppe, kann sich nur schwer damit abfinden, dass seine Frau Ana (Nieve de Medina) in der Fischfabrik alleine für den Unterhalt aufkommt. Den Frust spült er ebenso wie die übrigen Kumpel am Tresen herunter. Die Kneipe von Rico ist zur Anlaufstelle geworden. Besonders der alte Amador (Celso Bugallo) ist immer im "Naval" zu finden - seine Frau ist fort, Wasser und Gas in seiner Wohnung kann er sich nicht mehr leisten. Mit viel Sympathie begleitet der Regisseur seine tragikomischen Protagonisten. Besonders Javier Bardem gelingt es, die Balance zwischen Komik und dem täglichen Kampf gegen die Windmühlen darzustellen. In Zeiten der Reform-Debatten setzt der Film ein Gegenzeichen, der Mär vom faulen Arbeitslosen werden Engagement und die Verzweiflung über das erzwungene Nichtstun gegenübergestellt. Der Film wurde unter anderem in fünf Kategorien mit dem spanischen Filmpreis Goya und beim Filmfestival in San Sebastian ausgezeichnet.

Einfach 'errlisch: "Eine Affäre in Paris"

Einfach 'errlisch: "Eine Affäre in Paris"

Wie zwei Amerikanerinnen sich in Paris gegen die französische Lebensart und insbesondere die Männer zur Wehr setzen, dabei aber hoffnungslos unterlegen sind, zeigt die wunderbar romantische Komödie "Eine Affäre in Paris". Die Supermacht, die vor einigen Monaten ihr zweitliebstes Fast Food von "French Fries" erzürnt in "Freedom Fries" umbenannt hat, kommt nicht los von ihrer Hassliebe zu Frankreich, wie die am 15. Januar anlaufende Komödie "Eine Affäre in Paris" beweist. Da verwickeln sich zwei junge Kalifornierinnen in den Fallstricken gallischer (A-)Moral, ohne jedoch von den Vorzügen des 'errlisch französischen Lebensstils lassen zu können. Zumindest Isabel, die ihre in Paris lebende Schwester Roxy besucht, stürzt sich ohne Vorbehalte in eine Crash-Kur in "savoir vivre" und beginnt eine Affäre mit dem konservativ-katholischen Altpolitiker Edgar, der das niedliche Küken ganz formell darum bittet, seine neue Mätresse zu werden. Nase vollDie hochschwangere Roxy dagegen hat von den lokalen Sitten die Nase gestrichen voll, denn gerade hat ihr Ehemann Charles-Henri sie und ihre kleine Tochter wegen einer anderen Frau sitzen lassen. Seine Familie spendet der unglücklichen Blondine wenig Trost: Dass Männer ihren Ehefrauen untreu werden, ist für Schwiegermutter Suzanne und den Rest der großbürgerlichen Sippe nun wirklich kein Drama, das groß ausdiskutiert werden müsste. Isabels ebenfalls verheirateter Lover Edgar allerdings ist Suzannes Bruder, und diese Affäre geht der beinhart-bourgeoisen Matriarchin nun wirklich zu weit: Bei den prüden Amis, die Clintons Affäre mit einer Praktikantin breit ausgewalzt haben, weiß man ja nie. Schöner essen, wohnen und anziehenVor allem auf weiblicher Seite - von der gekonnt niedlichen Kate Hudson über die herbe Naomi Watts über die weise dozierende Glenn Close bis zur Veteranin Leslie Caron - sind die Darsteller das reine Vergnügen. Dass der etwas angetrocknete Thierry Lhermitte wie so oft als Liebhaber von Amerikanerinnen auftritt, gehört, ebenso wie die Rolle des Eiffelturms, zur Paris-Folklore. Das bewährte Regiegespann Merchant/Ivory (berühmt für "Howard's End" und "Zimmer mit Aussicht") hat seine Produktionsdesigner erneut zu Höchstleistungen angetrieben und es geschafft, auch diese in der schmucklosen heutigen Zeit spielende Sittenkomödie zu einem Kostümfilm umzufunktionieren. So werden klischeehaft Luxusprodukte mit französischer Lebensart gleichgesetzt und dem Zuschauer ein einzigartiger Augenschmaus aus "schöner essen, wohnen und anziehen" demonstriert. Geistreiche Running-GagsWas leichtfüßig überleitet in einen lockeren Moralbegriff, anschaulich gemacht durch Isabel, die sich in ihrer neuen Mätressenrolle gut gelaunt mit todschicken Dessous eindeckt. Zum geistreichen Running-Gag mutiert dabei Isabels verräterische Kroko-Tasche vom Luxusausstatter Hermès, die von der gewieften Suzanne sogleich als Liebesgabe von Edgar erkannt wird. Der schwelende Konflikt wird noch durch ein Gemälde in Roxys Besitz geschürt, das vielleicht vom Barockmaler Georges La Tour stammt. Das macht sowohl die Schwiegersippe wie den Louvre begehrlich. Und wenn die amerikanische Familie nach "Old Europe" fliegt, um der armen Roxy beizustehen, tritt der amüsante "culture clash" in eine neue Runde: Ist doch der gegnerische Clan geradezu eine Parodie jener charmant-heuchlerischen Großbourgeoisie, wie sie auch der französische Regisseur Claude Chabrol unermüdlich auf dem Kieker hat. Ironie und AugenzwinkernDass die idealtypisch liberalen und offenen Amis nicht die gleiche ironische Behandlung erfahren wie die Franzosen, beschert diesem sonst feinsinnigen Film eine, zumindest aus europäischer Sicht, verräterische "Unwucht". Doch obwohl die Geschichte außerdem unter der Last zu vieler dramatischer Entwicklungen ächzt, sind die Streiflichter auf die feinen Mentalitätsunterschiede allemal unterhaltsam. Kann man einem Volke trauen, dass stundenlang zu Mittag isst, fragt sich nicht nur Isabels angereister amerikanischer Bruder, der fast hysterisch wird beim Gedanken, französisches Wasser zu trinken. Die Merchant/Ivorys antworten mit einem augenzwinkernden "Ja, aber."

"Der Einsatz": Doppelbödiger Thriller mit großen Darstellern

"Der Einsatz": Doppelbödiger Thriller mit großen Darstellern

Frankfurt/Main (rpo). Dieser Agententhriller kommt düster, manisch und paranoid daher: Neben der doppelbödigem Story, wo nichts ist wie es scheint, überzeugen mit Al Pacino als besessenem CIA-Ausbilder und Colin Farrell als dessen Opfer und Schützling vor allem die Hauptdarsteller.Noch lebt der individualistische Computerspezialist James Clayton in der besten aller Welten, als er vom Superagenten Walter Burke kontaktiert wird. Burke aber kennt James' Achillesferse und findet einen Dreh, um das renitente Superhirn für die CIA zu rekrutieren. Bei der "Company" erlebt James sein blaues Wunder: Unermüdlich betont der am 15. Januar anlaufende Agententhriller "Der Einsatz", dass nichts ist, wie es scheint - weder in der "Company" noch draußen. Zwei AlphatiereWer dieses Mantra wörtlich nimmt, kommt diesem Krimi frühzeitig auf die Schliche. Dass man dennoch spannende Momente erleben kann, liegt an der Besetzung, in der sich zwei Alphatiere gegenüberstehen. Für Al Pacino ist seine Rolle als manischer CIA-Ausbilder eine leichte Übung, und so muss er nur kurz die Augenbrauen lüpfen, um Gänsehaut hervorzurufen. Als mal zynischer, mal patriotischer Einpeitscher im abgeschiedenen Ausbildungslager lehrt er seine Jünger bedingungslose Gefolgschaft - vor allem James, der hofft, durch die CIA etwas über seinen seit Jahren verschollenen Vater zu erfahren. Burke macht sich zum Übervater, der seinen Schützling nach Belieben knetet und manipuliert. Der Ire Colin Farrell, der zuletzt auch in "Nicht auflegen!" brillierte, entwächst langsam seinem Status als Westentaschen-Brad-Pitt. Zunächst ist an James nur sein konstanter Viertagebart interessant, doch in der ödipalen Auseinandersetzung mit seinem Mentor gewinnt er an Größe. Was erst wie ein Werbefilm für die CIA anmutet, entwickelt sich mit leichtem Hitchcock-Drall in eine unvorhergesehene Richtung, als James dem - recht virtuos ausgemalten - Psychoterror der Ausbildung nicht gewachsen scheint. Nach seinem Ausscheiden sucht ihn Burke erneut heim und betraut ihn mit einem Spionage-Einsatz, der so geheim ist, dass James zu Burkes exklusivem Bluthund wird und niemandem sonst vertrauen darf. Sein Zielobjekt ist die schön-kühle Layla, auf die James schon bei der Ausbildung ein Auge geworfen hatte, und die nun in der CIA-Zentrale Langley arbeitet. Paranoide AtmosphäreNicht nur durch die Konzentration auf die Hauptdarsteller, sondern auch durch seine paranoide Atmosphäre, die nicht durch das sonst übliche laute Spionagespielzeug à la James Bond infantilisiert wird, kann dieser betont unglamouröse Thriller ungewöhnliche Akzente setzen. Das psychologisch dichte Katz- und Maus-Spiel des Trios, das sich zu einem Wettbewerb im Bluffen entwickelt, fesselt die Aufmerksamkeit. Es dauert sehr lange, bis ein echter Schuss fällt. Da Filme ja stets auch etwas über die heutige Zeit aussagen, lässt sich das Understatement der Mittel durchaus auch politisch interpretieren, - geht es doch um das brandheiße Thema der Landesverteidigung. Nachdem sich in der Realität das teure Horch- und Guck-Instrumentarium von CIA & Co. als katastrophal nutzlos erwiesen hat, läutet diese düstere Agenten-Nabelschau von Roger Donaldson, der mit "Thirteen Days" bereits einen durchdachten Thriller über die Kuba-Krise gedreht hat, vielleicht eine kostengünstige Trendwende des Genres ein: Introspektionen statt Explosionen. Maulwürfe und LecksDie Suche nach Maulwürfen und Lecks im eigenen Laden statt nach imaginären Superwaffen in Schurkenstaaten scheint auch filmisch effizienter, wie der Erfolg des Thrillers in den USA beweist. Wie aufgepfropft wirkt deshalb die routinierte letzte Viertelstunde, in der wie gehabt im Angesicht des Todes lange Rechtfertigungsreden geschwungen werden, und ein schaler Patriotismus, von hinten durch die Brust ins Auge kommend, dann doch alle Zweifel hinwegschwemmt.