"Verblendung" mit Daniel Craig Amerikaner entdecken Stieg Larsson

Düsseldorf · Drei Jahre nach der schwedischen Verfilmung "Verblendung" legt Oscarpreisträger David Fincher seine Version des Thrillers von Stieg Larsson vor. Auch sein Film ist düster und brutal, Daniel Craig spielt überzeugend, doch die Schweden hatten mit Noomi Rapace die bessere Hauptdarstellerin.

Es hat etwas dunkel Verführerisches, einer jungen Frau dabei zuzusehen, wie sie radikal unabhängig existiert, sich ganz nach eigenen Regeln durch ihr Leben beißt. Eine einsame Wölfin, klug, unnahbar, gefährlich. Lisbeth ist so intelligent, dass Unternehmen sie für Spezialaufträge buchen: Sie hackt sich in jedes Netzwerk ein, steigt in Windungen des Internet, in die Normalsterbliche nicht finden, in denen aber die wirklich sensiblen Informationen ruhen.

Dieser Fähigkeit verdankt Lisbeth ihr Einkommen — ein weiblicher Nerd, nur härter, zäher, grimmiger. Weil sie in ihrer Jugend extreme Brutalität erleben musste und darauf aggressiv reagierte, hat sie sich als Erwachsene für radikale Zurückgezogenheit entschieden. Und wenn ihr die wenigen Menschen, zu denen sie gezwungenermaßen in Kontakt tritt, wieder mit Gewalt begegnen, schlägt sie unerbittlich zurück.

Eindrucksvolle Erstverfilmung

Es ist diese Mischung aus Aggressivität und Verletzlichkeit, aus geistiger Überlegenheit und psychischer Versehrtheit, die Stieg Larssons Millennium-Krimi-Trilogie so packend macht. Dass Larssons Hauptfigur auch eine reizvolle Kinoheldin abgeben würde, hat der Däne Niels Arden Oplev mit seiner Verfilmung des Stoffes vor drei Jahren eindrucksvoll bewiesen. Zwar drehte er seinen Film als Mehrteiler für das schwedische Fernsehen, doch geriet der so düster, packend, wuchtig, dass die Produzenten eine kürzere Fassung fürs Kino erstellen ließen.

Die starke Wirkung des Films war in erster Linie Noomi Rapace als Lisbeth zu verdanken. Mit Piercings und Punkfrisur war sie äußerlich auf Rebell getrimmt, strahlte aber auch eine innere Härte aus — die einsame Arroganz einer Geschundenen.

In den USA kam der schwedische Film nur mit Untertiteln in die Kinos, lief aber mit beachtlichem Erfolg. Also verschaffte sich Hollywood, wie oft in solchen Fällen, die Rechte für ein Remake. Doch wurde nun nicht irgendein Regisseur damit beauftragt, den skandinavischen Erfolg mit internationalen Stars zu einem Blockbuster aufzupumpen. David Fincher übernahm die Aufgabe. Nach drei Oscars für seinen letzten Film "A Social Network" über die Gründungsgeschichte von Facebook hätte er andere Optionen gehabt. Doch Fincher fand, dass die schwedische Verfilmung noch nicht das zeigte, was er in dem Thriller-Stoff sah, und so drehte er seine Version. Die ist ab Donnerstag auch in deutschen Kinos zu besichtigen.

Auf den ersten Blick überrascht Finchers Arbeit durch die Ähnlichkeit zur schwedischen Version. Der Film spielt wieder in Stockholm, Lisbeth ist wieder eine hochbegabte Rockerin, und obwohl in US-Verfilmungen sonst oft auf die Altersfreigabe geschielt wird, nimmt Fincher dem Stoff nicht seine Brutalität. Der Regisseur von "Sieben" und "Fight Club" ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, Gewalt ungeschönt in Szene zu setzen. Doch seiner Hauptdarstellerin Rooney Mara kann er noch so viel Kajal unter die Augen malen lassen, sie hat nicht diesen tiefen Zynismus, diese Bitterkeit von Noomi Rapace. Eher wirkt sie wie eine höhere Tochter, die vom Pfad abgekommen ist. Nicht wie eine von unten.

Dafür hat Fincher mit Daniel Craig gedreht. Der spielt den Journalisten Mikael Blomkvist, der einem Unternehmer mit einer Enthüllungsgeschichte so gefährlich nahegekommen ist, dass dieser ihn mit juristischen Mitteln kaltstellt. Um doch noch an belastende Informationen gegen den Unternehmer zu gelangen, lässt sich Blomkvist darauf ein, für einen anderen Industriellen in einer privaten Sache zu ermitteln, und gerät tief hinein in die faschistische Vergangenheit und Gegenwart von dessen Familie.

Craig als starker männlicher Charakter

Die Journalistenrolle liegt Daniel Craig. Er spielt diesen Blomkvist einerseits abgebrüht, lässig, lässt ihm aber in den entscheidenden Momenten genug Weichheit, genug Emotionalität. So hat er schon James Bond zu einer modernen Figur gemacht. Und so gibt er der Neuverfilmung von "Verblendung" einen starken männlichen Charakter, der es plausibler erscheinen lässt, dass die abweisende Lisbeth ihren Panzer für ihn abstreift, noch einmal im Leben Gefühle wagt.

Damit hat Finchers Verfilmung tatsächlich ein neues Thema. In der schwedischen Fassung wird ein regennasses, an der Oberfläche cool-glattes Schweden gezeigt, in dem sich Faschismus, Perversion, Gewalt im Privaten, in deformierten Familien finden. Eine junge Frau und ein Journalist müssen zu totalen Außenseitern werden, um die erschreckenden Zustände hinter den gesellschaftlichen Kulissen aufzudecken.

Bei Fincher geht es mehr um die Beziehung zwischen Lisbeth und Blomkvist, um eine Frau, die in der Einsamkeit Schutz sucht, sich eigentlich aber nach Nähe sehnt. Auch Fincher lässt sie bitter scheitern. Doch er macht aus einem gesellschaftskritischen Krimi einen Thriller über eine tragische Beziehung. Beide Filme sind sehenswert, wenn man sich auch fragt, ob sich Finchers Einsatz für diese Akzentverschiebung gelohnt hat.

(RP/top/felt)
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