Drama "Casa de los Babys" von John Sayles Adoptivtouristen in Südamerika

(RP)."Rückt endlich ein Kind raus!" Wenn die Amerikanerin Nan noch eine halbe Kalorie aggressiver wäre, ließe sie sich gewiss so ein T-Shirt drucken. Sie ist die ungeduldigste und unduldsamste aus einer Gruppe von Gringos, die in John Sayles' Spielfilm "Casa de los Babys" in einem ungenannt bleibenden südamerikanischen Land Woche um Woche in einem Motel zubringen müssen.

Drama "Casa de los Babys" von John Sayles: Adoptivtouristen in Südamerika
Foto: Peripher

Die Touristen wider Willen sind hier, weil ihren innigen Kinderwunsch weder die Natur noch die heimischen Behörden erfüllen mögen. Wer ihr Vorhaben falsch findet, der nennt sie Adoptionstouristen. Tatsächlich würde Nan (Marcia Gay Harden) am liebsten einfliegen, ein Kind schnappen und wieder ausfliegen. Die monatelange Residenzpflicht, die endlosen Behördengänge, das vormundliche Misstrauen, den verletzten Nationalstolz und die dreiste Korruption empfindet sie unterschiedslos als Zumutungen.

Aber der Regisseur und Autor John Sayles ("Lone Star"), Jahrgang 1950, hat eben keine zugespitzte Polemik gedreht. Das ist nicht seine Art. In ruhigen Filmen schaut er Menschen zu, wie sie mit Problemen fertig werden und sich selbst in kleinem Rahmen zu verwirklichen suchen. Er lässt seinen Figuren Chancen und Räume, er zeigt Licht und Schatten. Er will lieber unterwegs viele Fragen aufwerfen als am Filmende eine einzige große Gewissheit gebären.

Sayles gehört nicht zum ruhmreichen Zirkel der Großbudgetverwalter Hollywoods. "Casa de los Babys" hat rund eine Million Dollar gekostet. Das merkt man ihm nicht an. Dieser Film leidet nicht an Hudelei und erzwungener Überbrückung von Schauwertlücken, allenfalls an der großen Ratlosigkeit, was man über diese Adoptionswilligen und die moderne Form des Kinderhandels nun denken soll.

"Casa de los Babys" ist schon 2003 entstanden, und er hat nicht nur lang gebraucht, zu uns zu finden, er ist kurioserweise zuerst auf DVD erschienen, vergangenen April, und kommt jetzt doch noch auf die Leinwand. Bertrand Tavernier hat 2004 einen Film zum selben Thema gedreht, "Holy Lola", über französische Adoptionswillige in Kambodscha. Tavernier besitzt die schärfere Beobachtungsgabe, Sayles die größere Menschenliebe. Mit Daryl Hannah, Susan Lynch, Lili Taylor und dem Rest eines klug zusammengestellten Ensembles führt er uns gebrochene Menschen vor, die sich nicht unbedingt wohlfühlen bei ihrer wohlmeinenden Form des Kinderkaufs. Die aber zuhause, ohne eigene Kinder, noch sehr viel unglücklicher waren.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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