Kinofilm „Yesterday“ Beatles? Nie gehört.

„Yesterday“ erzählt von einer Welt mit Gedächtnisverlust. Ein Musiker wird mit Beatles-Songs berühmt. Ed Sheeran spielt auch mit.

 Konzert auf dem Dach wie damals bei den Beatles: Himesh Patel spielt in „Yesterday“ den Musiker Jack Malik, der auf fremdem Liedgut eine Weltkarriere aufbaut.

Konzert auf dem Dach wie damals bei den Beatles: Himesh Patel spielt in „Yesterday“ den Musiker Jack Malik, der auf fremdem Liedgut eine Weltkarriere aufbaut.

Foto: dpa/Jonathan Prime

Sein ganzes junges Leben hat Jack Malik (Himesh Patel) davon geträumt, als Singer-Songwriter groß rauszukommen. Aber jetzt geht er auf die 30 zu, jobbt als Regalauffüller im Supermarkt und singt sich am Wochenende immer noch in halbvollen Provinz-Pubs die Seele aus dem Leib. Außer seiner Jugendfreundin und Managerin Ellie (Lily James) scheint kaum einer an seine Musikerkarriere zu glauben. Nach einem desaströsen Auftritt im Kinderzelt eines Musikfestivals beschließt Jack, seinen Traum aufzugeben – und wird auf dem Nachhauseweg während eines globalen Stromausfalles von einem Bus angefahren.

Zwei Zähne fehlen, als er im Krankenhaus aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Aber schon bald muss Jack feststellen, dass dem Rest der Welt sehr viel mehr abhanden gekommen ist. Als er aus dem Hospital entlassen wird, schenken ihm seine Freunde eine neue Gitarre. Zur Einweihung des Instruments spielt Jack „Yesterday“ von den Beatles und schaut danach in die ehrfürchtig schweigende Runde. Mit offenem Mund und Tränen in den Augen haben die Freunde seiner Darbietung gelauscht. Ob er das selbst geschrieben habe, fragen sie und versichern noch nie etwas von einer Band namens Beatles gehört zu haben. Zuhause am Computer ist auch Google keine große Hilfe. Weder die Band noch die Namen Paul McCartney, John Lennon, George Harrison oder Ringo Star bringen Treffer. Die Beatles sind aus dem Gedächtnis der Welt gelöscht, und Jack, der während des mysteriösen Stromausfalles bewusstlos war, ist der einzige, der sich an die Fab Four und ihre Musik erinnern kann.

Aus einer kleinen, originellen Prämisse schneidern Regisseur Danny Boyle („Slumdog Millionaire“) und Drehbuchautor Richard Curtis („Notting Hill“) ein leichtfüßiges Feel-Good-Movie, das die musikalischen Retro-Sehnsüchte der Gegenwart, wie sie sich im Erfolg von „Bohemian Rhapsody“ und „Rocket Man“ materialisieren, bedient und karikiert. Denn natürlich kann der britische Provinzbarde nicht widerstehen und kurbelt mit den geklauten Beatles-Songs die eigene Karriere an.

Am Anfang gelingt das eher zögerlich. Als Jack seinen Eltern „Let It Be“ vorspielt, wird die Darbietung andauernd nach wenigen Takten von Nachbarn und Freunden unterbrochen, die wenig ehrfürchtig mit dem hochemotionalen Liedgut umgehen. Das Blatt wendet sich, als Popstar Ed Sheeran Jacks Auftritt in einer TV-Show sieht und ihn mit auf Tour nimmt. Sheeran spielt sich selbst mit sympathischer Selbstironie und zeichnet im Film für die Umdichtung von „Hey Jude“ in „Hey Dude“ verantwortlich. Nach einem Auftritt in Moskau („Back in the USSR“) und einem neuen Album geht die Karriere des Imitators durch die Decke. Jack wird als Genie gefeiert. Nur wenn er nach seinen Inspirationen gefragt wird, gerät er ins Schleudern. Auch mit der Rekonstruktion des Textes von „Eleanor Rigby“ hat er seine Schwierigkeiten.

Mit „Yesterday“ gelingt es Regisseur Boyle und Autor Curtis einen humorvollen, frischen Blick auf das Werk der Beatles zu legen. Unübersehbar atmet der Film den freudvoll-melancholischen Geist, der auch die Musik der Beatles auszeichnete. Curtis hat sich mit brillanten romantischen Komödien wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“ und „Love, Actually“ in die Filmgeschichte eingeschrieben, und diese aufrichtig menschenfreundliche Haltung weht ebenfalls durch „Yesterday“. Auch wenn die Liebesgeschichte zwischen Jack und Ellie etwas übersichtlich geraten ist, weil sich die Liebe zur Musik in den Vordergrund drängt.

„Yesterday“, das muss dazugesagt werden, ist kein Film für Besserwisser. Die Prämisse des partiellen globalen Gedächtnisverlusts, der nicht nur die Beatles, sondern auch Coca Cola, Oasis und die Existenz von Zigaretten betrifft, hält natürlich einer genaueren Logikprüfung nicht stand. Wer die Spaßbremse spielen möchte, findet genug Ansatzpunkte. Wer hingegen bereit ist, ein Auge zuzudrücken, wird mit einer herzallerliebsten und sehr britischen Komödie belohnt, die ihr Publikum beschwingt entlässt.

Yesterday, Großbritannien/USA 2019, von Danny Boyle, mit Himesh Patel, Lily James, Ed Sheeran, 117 Min.

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