Der französische Schauspieler wird 60 Jahre alt Jean-Pierre Léaud: Der verschlossene Rebell

Frankfurt a.M. (rpo). Ohne Jean-Pierre Léaud wäre die Nouvelle Vague undenkbar. Er ist eine der wenigen Schauspieler, die sich in der Erinnerung mit einer ganzen Epoche verbinden. In der Erneuerungsbewegung der französichen Kinos der sechziger Jahre gab er den frechen Rebellen, einen jungen Mann, ein wenig verschlossen aber charmant, fiebrig und melancholisch zugleich. Am 5. Mai wird Jean-Pierre Léaud 60 Jahre alt.

Entdeckt hat ihn François Truffaut, der für Léaud immer eine Art Vaterfigur bleiben sollte. Als Truffaut für seinen - autobiographisch inspirierten - Film "Sie küssten und sie schlugen ihn" (1959) den Darsteller des emotional vernachlässigten Antoine Doinel suchte, meldete sich Léaud, gerade mal 14 Jahre alt, für die Rolle. "Man merkt in den Probeaufnahmen, wie er eine starke Intensität ausstrahlt und dass er wirklich die Rolle will", sagte Truffaut über ihn.

Und dieser Antoine Doinel wurde zu so etwas wie Léauds Schicksal. Er hat ihn in vier weiteren Filmen von Truffaut verkörpert: in "Liebe mit 20" (1962), "Geraubte Küsse" (1969), "Tisch und Bett" (1970) und "Liebe auf der Flucht" (1978), er alterte mit seiner Rolle, entwickelte sich von dem Jungen, der in einer Besserungsanstalt landet, zu einem jungen Mann, der die erste Liebe erlebt, bis hin zu Heirat, Familie und Scheidung.

Mitte der sechziger Jahre verpflichtete ihn auch der zweite große Regisseur der Nouvelle Vague, Jean-Luc Godard. Léaud wirkte mit in "Masculine-Feminine" (1966) und "Die Chinesin" (1968). Er verkörperte den Prototyp des großstädtischen jungen Mannes in dieser Zeit, hektisch, nervös, unsicher - aber doch romantisch. In den sechziger und siebziger Jahren drehte er einen Film nach dem anderen, arbeitete mit Jerzy Skolimowski, Pier Pasolini und Jean Eustache.

In Bernardo Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris" (1972) spielte er den Gegenpart von Marlon Brando: einen besessenen Regisseur. Der Tod von François Truffaut im Jahr 1984, mit dem er etwa noch in "Die amerikanische Nacht" (1975) zusammengearbeitet hatte, setzte für Léaud eine Zäsur, auch weil er inzwischen seinem Leinwand-Image vollkommen entwachsen war. Seine Kino-Auftritte wurden spärlicher - aber mitunter umso nachhaltiger. In Aki Kaurismäkis Komödie "I Hired A Contract Killer" (1990) gab er einen lebensmüden Angestellten, der seinen eigenen Mörder anheuert, aber danach die Freuden des Lebens wieder entdeckt.

In seinen Rollen in den achtziger und neunziger Jahren - manchmal nur kleine Auftritte - kultivierte er mit eckigen Bewegungen eine seltsame Verschlossenheit. Zuletzt konnte man ihn auf der diesjährigen Berlinale in Dominique Cabreras "Folle embellie" bewundern. Da spielt er, ein bisschen rundlich geworden, den Anführer einer Gruppe von geistig Behinderten, die während der deutschen Okkupation aus ihrem Heim ausbrechen und durch die Gegend irren.

Léaud liebt die große Geste in diesem Film, die schon fast wie Parodie wirkt. In der einprägsamsten Szene von "Folle embellie" zeigt er, der in diesem Film einen ehemaligen Kellner spielt, den tafelnden Wehrmachtsoffizieren, wie wirklich serviert wird, ohne auf die Risiken seines Auftrittes zu achten. Ein bisschen von dem Wirrkopf Antoine Doinel ist ihm immer noch geblieben.

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