Legendärer Regisseur Jean-Luc Godard im Alter von 91 Jahren gestorben

Paris · Er galt als einer der einflussreichsten Filmregisseure und als führender Vertreter der sogenannten „Nouvelle Vague“ des französischen Films: Jetzt ist der legendäre französisch-schweizerische Filmemacher Jean-Luc Godard gestorben.

 Regisseur Jean-Luc Godard nimmt an der Verleihung des Preises «Prix et Bourses culturels Leenaards 2013» teil.

Regisseur Jean-Luc Godard nimmt an der Verleihung des Preises «Prix et Bourses culturels Leenaards 2013» teil.

Foto: dpa/Jean-Christophe Bott

Er starb am Dienstag im Alter von 91 Jahren, wie die Schweizer Nachrichtenagentur SDA unter Berufung auf Godards Ehefrau berichtete. „Wir verlieren einen nationalen Schatz, den Blick eines Genies“, schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag auf Twitter.

Zigarren waren aus seinem Leben nicht wegzudenken. Bei Interviews waren seine Sätze wegen der dicken Stumpen oft kaum zu verstehen. Mehr als 70 Jahre lang hat Jean-Luc Godard das Kino geprägt und die sogenannte „Nouvelle Vague“ des französischen Films mit begründet. Jetzt ist der französisch-schweizerische Regisseur im Alter von 91 Jahren gestorben, wie die Zeitung „Liberation“ am Dienstag meldete.

Mehr als 40 Spielfilme, zahlreiche Kurzfilme, experimentelle Dokumentarfilme, Essays und Musikvideos hat Godard im Laufe seines Filmschaffens produziert. Seine Werke waren Denken in Montage-Form. Drehbücher wurden durch die Improvisationskraft der Schauspieler und Diskussionen am Set ersetzt. Dabei stellte der am 3. Dezember 1930 in Paris geborene Sohn eines Schweizer Augenarztes die vorherrschenden Regeln immer wieder in Frage. Die Realität junger Leute sollte auf der Leinwand zu sehen sein: lebensnah, unkonventionell und authentisch.

Godard hat seine Lehrjahre auf den harten Kinositzen der Pariser Cinematheque abgesessen und zunächst Filmkritiken verfasst. „Eigentlich habe ich immer alles anders gemacht als die anderen“, sagte er. „Und zwar aus dem Bedürfnis des Forschens heraus, als Suchender.“ Jeder neue Film überraschte Zuschauer und Kritiker, lockte sie aus der Reserve und forderte sie auf, für oder gegen Godard zu sein.

Bis hin zu seinem letzten Werk „Bildbuch“ (2018). Darin montierte Godard Ausschnitte aus der Filmgeschichte mit Youtube-Clips oder Mobiltelefonaufnahmen. Eine Bildercollage mit Fragmenten aus Literatur, Kunst und Film.

Paris - Grenoble - Rolle am Genfer See; das sind die Stationen in Godards Cineastenleben. In Paris schuf er die Meisterwerke der Nouvelle Vague: „Die Geschichte der Nana S.“, „Die Außenseiterbande“ mit Anna Karina, „Pierrot le Fou“ mit Jean-Paul Belmondo und Anna Karina, „Die Verachtung“ mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli. 1960 entstand Godards legendäres Werk „Außer Atem“, das sich an den schwarz-weißen Gangsterfilmen der Hollywood-Regisseure orientierte; mit Handkamera statt mit aufwendigen Kamera-Aufbauten gedreht und in neuartiger, schneller Schnitttechnik montiert.

1967 dann der radikale zwischenzeitliche Abschied vom Kino mit „Weekend“. Godard rechnete mit allem ab, was die Welt so unerträglich macht: Klassenkampf und Ausbeutung, die Grausamkeiten der Zivilisation und revolutionärem Chaos. 1973 verließ Godard Paris und zog nach Grenoble, wo er zusammen mit der Fotografin, Regisseurin und Lebensgefährtin Anne-Marie Mieville TV-Serien produzierte. Das prägte seine Arbeit bis zuletzt. „Video hat mir geholfen, das Kino zu sehen und auf eine andere Weise zu überdenken.“

Mit „Rette sich wer kann (das Leben)“ (1980) und Isabelle Huppert, Nathalie Baye und Jacques Dutronc suchte er den Weg zurück ins Kino. Es geht den drei Protagonisten in diesem Film darum, ihr Leben zu ändern in einer gewaltsamen, verworrenen Welt.

Zurückgekehrt in die Landschaft seiner Jugend, nach Rolle am Genfer See, arbeitete er zugleich von 1988 bis 1998 an seiner „Histoire(s) du cinema“; einer Philosophie des Kinos, die nicht die Filmgeschichte erklärt, sondern darüber nachdenkt, was die Bilder mit uns anstellen.

Godard wollte sich nicht verlieren in der Faszination des Kinos. Es sei nur eine „winzige Filiale der Lügenindustrie“ und habe viel Schlechtes angerichtet. Es habe „weggesehen bei den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, von Auschwitz bis zu den Balkankriegen“.

Godard litt. In „Adieu au langage“ sieht man Menschen am Genfer See, angezogen und nackt, im Regen, Schnee, in der Sonne; die streiten, lieben, sich quälen und sich fragen: Um was geht es? Wo ist die Wahrheit?

Ohne Wahrheit leben in einer gewaltsamen, verworrenen Welt - um dieses Problem kreisten Godards Alterswerke. Doch er muss ein glückliches Cineastenleben geführt haben. „Wenn ein Mensch“, flüstert er am Ende seiner „Histoire(s) du cinema“, „das Paradies im Traum durchquerte und eine Blume erhielte als Beweis für seinen Aufenthalt und er beim Erwachen diese Blume in seinen Händen fände, was würde er sagen?“ - „Ich war dieser Mensch“, sagte Godard.

(felt/kna)
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