"Paterson" Jim Jarmusch wieder in Bestform

"Paterson" heißt der neue Film des amerikanischen Kult-Regisseurs.

Paterson ist ein Busfahrer in der amerikanischen Stadt Paterson. Die Namensgleichheit taugt hin und wieder für einen kleinen Scherz, ist aber reiner Zufall. Am Montagmorgen gegen viertel nach sechs klingelt der Wecker, Paterson steht auf und fährt den ganzen Tag die Linie 23. Manchmal hört und sieht er über den Rückspiegel, wie zwei Passagiere sich unterhalten, ein paar Tage später wird ihm einmal der Motor absaufen. Abends kommt Paterson nach Hause, lauscht dem enthusiastischen Tagesbericht seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani), die wieder irgendwas im Haus schwarzweiß dekoriert hat, geht mit ihrem Mops Gassi, den er nicht mag, trinkt in seiner Kneipe ein Bier und läuft nach Hause. So geht das eine Woche lang. Bis zum Sonntag, da hat er frei, der läuft ein klein wenig anders.

Paterson schreibt aber auch Gedichte in ein Notizheft, spontan und nie zu festen Zeiten. Sie gehen ihm schwer von der Hand, meist sind es Liebesgedichte an Laura, sie handeln von Streichhölzern mit blauen Spitzen oder anderen profanen Dingen und entfalten ihre Kraft und erdige Schönheit erst ab der dritten Zeile. Wann immer Patersons langsame Stimme sie dem Zuschauer vorliest, erscheinen sie am Bildrand in geschwungener Schreibschrift.

Sehr viel mehr ereignet sich gar nicht in Jim Jarmuschs melancholischer Tragikomödie "Paterson", abgesehen von kleinen Alltagsdramen, und doch wird man nicht müde zuzusehen. Adam Driver, bekannt als Bösewicht im neuesten "Star Wars"-Film, ist ein stilles Ereignis. Sein einsilbiger Paterson ist der ideale Gegenpol zu Laura, die ganzen Tag Gardinen und Tapeten anmalt und jeden Abend einen neuen amerikanischen Traum in ihrem Kopf ausgebrütet hat. Eine Muffinbäckerei aufmachen, Gitarre lernen, als Countrysängerin berühmt werden. Ihre und Patersons Welt ist eine des Was-wäre-wenn, die in einem anderen Film sicher etwas Tristes hätte. Hier aber wird diese Welt zu einer warmen, zufriedenen Vision.

Niemand findet so unfehlbar die Faszination im Unscheinbaren wie der New Yorker Indie-Regisseur Jim Jarmusch. Er sucht gerne da, wo andere nicht mehr hinhören, in den Gesprächen unspektakulärer Leute, wie schon in den Nachttaxis von "Night On Earth". Zu Patersons Reimen inspirierte Jarmusch der Dichter William Carlos Williams, der der Stadt Paterson fünf Gedichtbände widmete. Auch Jarmuschs Film ist eine Verbeugung vor der Stadt und der Poesie, die in ihrer Routine liegt und in den kleinen Dingen. Am Ende ist eine Woche rum, der Wecker klingelt, Paterson geht wieder arbeiten. Es wird nicht großartig was passieren.

Trotzdem wäre man gern weiter dabei.

Paterson, USA, Frankreich, BRD, 2016 - Regie: Jim Jarmusch, mit Adam Driver, Golshifteh Farahani, 123 Min.

(RP)
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