„Megalopolis“ Wille zur Größe ist zu erkennen, aber nicht die Größe
Es sollte das späte Meisterwerk von Francis Ford Coppola werden. Doch der wirre Film „Megalopolis“ behauptet Fallhöhe nur und zeigt sie nicht.
Bereits vor mehr als 40 Jahren hat Francis Ford Coppola die ersten Ideen zu seinem futuristischen Epos „Megalopolis“ entwickelt. Sowohl die Drehbuchgestaltung als auch die Finanzierung kamen während der folgenden Jahrzehnte immer wieder ins Stocken. Schließlich hat Coppola nun weite Teile seines Weinimperiums verkauft, um das 120 Millionen Dollar teure Herzensprojekt aus eigener Kasse zu finanzieren. Unübersehbar ist der Film als Opus Magnum angelegt, mit dem sich Coppola vom Kino verabschieden und ein letztes Mal in die Filmgeschichte einschreiben will.
Unbestritten gehört Coppola zu den Großmeistern des amerikanischen Films, dem er mit „Der Pate“ und „Apokalypse Now“ kulturhistorische Meilensteine schenkte. „Megalopolis“, dessen Titel schon einen gewissen Größenwahnsinn impliziert, sollte zu seinem cineastischen Vermächtnis werden. Die Fallhöhe war also sehr hoch, als Coppola seinen Film in diesem Jahr in Cannes bei den Filmfestspielen präsentierte. Und vielleicht ist das Beeindruckendste an dem fast zweieinhalbstündigen Werk, dass es diese enorme Fallhöhe in ganzer Länge geradezu rauschhaft vermissen lässt.
Um den möglichen Fall aus großer Höhe geht es schon in der ersten Szene des Films. Adam Driver klettert in der Rolle des Cesar Catilina auf das Dach des New Yorker Chrysler Building, neigt sich langsam über den Abgrund und sagt: „Zeit anhalten“. Die Welt um ihn und unter ihm erstarrt, während er sich wieder hinter der Dachkante in Sicherheit bringt. Ein kurzes Fingerschnipsen reicht aus, um alles wieder in Gang zu bringen. Wir befinden uns in einer futuristischen Version des römischen Imperiums, das seinem Untergang entgegen wankt. Die Hauptstadt wird von korrupten Geschäftsmännern und Adligen regiert. Nihilismus und Dekadenz bestimmen das gesellschaftliche Leben der Upper Class, die sich mit Modeschauen, Partys und Orgien vergnügt, während das gemeine Volk in Armut und Kriminalität versinkt.
Dem dystopischen Treiben setzt der Stararchitekt Cesar einen utopischen Stadtentwurf entgegen. Inmitten des urbanen Molochs möchte mit einem selbst entwickelten High-Tech-Material sein Megalopolis erbauen, dessen Pläne Coppola als von der Natur inspiriertes Stadtgebilde im Ungefähren lässt.
Natürlich hat Cesars Vision zahlreiche Gegner. Allen voran der neu ernannte Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito), der New Rome mit konservativem Pragmatismus regiert. Dass sich nun ausgerechnet dessen Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) dem Widersacher als Assistentin andient und schon bald Cesars Geliebte und Muse wird, vertieft die Feindschaft der beiden Männer. Aber es gibt noch andere Player im Machtgefüge von New Rome. Cesars Onkel Hamilton Crassus III (Jon Voight) ist der reichste Bankier des Imperiums, an dessen finanziellem Tropf die Zukunftspläne des Stararchitekten hängen. Die machthungrige TV-Reporterin Wow Platinum (Aubrey Plaza) hat eine Affäre mit Cesar und macht sich schon bald an den finanzstarken Onkel heran. Der hartnäckigste Gegner Cesars ist sein Cousin Clodio Pulcher (Shia LaBeuf), der an das Erbe von Crassus heran will und Volksaufstände gegen die Megalopolis-Pläne organisiert.
In bewährter Shakespeare-Manier werden die Charaktere hier in die dramatischen Konflikte getrieben und damit nicht genug: Cesar deklamiert im öffentlichen Disput sogar „Hamlet“-Verse, während er auf einem Baugerüst seine Entwürfe verteidigt. Des Weiteren ließ sich Coppola von dem gescheiterten Umsturzversuch der Catilinarischen Verschwörung im Jahr 63 v. Chr. inspirieren und stellt muntere Analogien zwischen dem möglichen Untergang von römischem und amerikanischem Imperium an. Und natürlich steht sein Film fest an der Seite des genialen Utopisten, der inmitten der herannahenden Apokalypse eine Stadt für das Wohlbefinden aller Menschen errichten will.
Auf der guten Seite zu stehen, reicht jedoch allein nicht aus für einen Film, der die Zukunft der Menschheit verhandeln will, aber keine kohärente Handlungsstruktur aufbauen kann. Äußerst wirr oszilliert „Megalopolis“ zwischen antiker Soap-Opera, Science-Fiction, Shakespeare-Drama und Gangsterepos und versucht sich angestrengt mit dem Habitus eines Meisterwerkes zu schmücken – wovon der Film nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell weit entfernt ist. Man erkennt den Willen zur Größe, aber nicht die Größe.
Dass die digitalen Effekte sichtbar nach einer eigenen Zukunftspoesie streben, aber einfach nur billig aussehen, ist symptomatisch für den Film eines Altmeisters, der eine Welt erklären will, welche sich offensichtlich ohne ihn ein wenig weitergedreht hat. Das wird besonders deutlich an den stereotypen Frauenfiguren, die mit den staubigen Geschlechterklischees des ruchlosen Karriereweibs und der selbstlosen Muse belegt werden und sich dekorativ ums männliche Genie ranken dürfen.
„Megalopolis“, USA 2024 – Regie: Francis Ford Coppola; mit Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Aubrey Plaza, Shia LaBeouf, Jon Voight; 138 Minuten