"Hobbit" und "Herr der Ringe" Abschied vom Mythos Mittelerde

Düsseldorf · Wenige Produktionen haben eine derartige globale Begeisterung ausgelöst wie die "Herr der Ringe"- und "Hobbit"- Filme. Sie erfüllen eine der wichtigsten Aufgaben von Kunst: die Menschen in eine andere Welt zu entführen.

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"Der Hobbit"-Premiere: Schauspieler und Fans am roten Teppich

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Wer eine Karte für einen "Herr der Ringe"- oder "Hobbit"-Film kauft, löst in der Sekunde ein Ticket. Es ist ein Ticket, das den Zuschauer weg führt aus seinem Alltag, weg von den grauen Fassaden in tristen, verregneten Großstädten, weg von anstrengenden Gedanken über anstehende Aufgaben, zurückliegende Misserfolge, problematische Beziehungen. Er betritt eine Welt, die unendlich weit entfernt scheint, eine Welt aus einem anderen Zeitalter, eine Welt, die so fantastisch ist, dass sie den Kopf regelrecht leerfegt, weil er frei sein muss für all diese Eindrücke.

Eskapismus ist kein revolutionäres Konzept, und doch wurde es im Kino selten konsequenter, weltumfassender und durchschlagender umgesetzt als in den vom neuseeländischen Regisseur Peter Jackson (53) verfilmten Geschichten des britischen Autors J.R.R. Tolkien (1892-1973). Denen heftete wie vielen komplexen Fantasy-Romanen das Prädikat "unverfilmbar" an, und die Fans, die sich als eingefleischt bezeichnen, erwarteten die Filme mit einer Mischung aus Argwohn und unbändiger Neugier. Wie kann ein Filmteam eine Welt auf die Leinwand bringen, die nur ansatzweise mit den surrealen Bildern der menschlichen Fantasie mithalten kann, wie kann er die Erzählstränge zusammenbringen und die Schauspieler so inszenieren, dass das Ganze nicht in eine lächerliche Kostüm-Revue abrutscht?

Peter Jackson hat es geschafft. Mit fast manischer Akribie und vielen hundert Millionen Dollar Produktionskosten im Rücken schuf er einen modernen Mythos, der mit dem Film "Der Herr der Ringe — Die Gefährten" 2001 begann und nun mit "Der Hobbit — Die Schlacht der fünf Heere" endet. Jeder der sechs Filme (auf "Die Gefährten" folgten "Der Herr der Ringe — Die zwei Türme" 2002, "Der Herr der Ringe — Die Rückkehr des Königs" 2003, "Der Hobbit — Eine unerwartete Reise" 2012, "Der Hobbit — Smaugs Einöde" 2013 und nun "Die Schlacht der fünf Heere") spielte mindestens 870 Millionen Dollar ein. Der dritte Teil des "Herrn der Ringe" brachte es auf 1,1 Milliarden Dollar und erhielt als erster Fantasy-Film überhaupt den Oscar als bester Film. Insgesamt räumte die "Ringe"-Trilogie 17 Oscars ab bei 30 Nominierungen.

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Epische Geschichten über Gut und Böse

Natürlich sieht man den Filmen in jeder Einstellung die absurd hohen Kosten an, natürlich bestehen sie zu einem Großteil aus computergenerierten Bildern, und doch sind sie mehr als vor Technik strotzende Blockbuster. Sie sind auch Märchen, epische Geschichten über Gut und Böse, über Freundschaft, Liebe, Loyalität, Tapferkeit. Sie spiegeln die gesamte Klaviatur menschlicher Gefühle wider, sie schlagen den ganz großen Bogen, so groß, dass hier Pathos nicht störend, sondern Teil der Geschichte ist.

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Das ist einer der Gründe für den weltweiten Erfolg der Filme. Sie erlauben das Abtauchen in tiefsten Kitsch, geradezu kindlich-naive Traumwelten wie das Auenland, die Heimat der putzigen Hobbits, oder Bruchtal, die mythisch-schöne Welt der sagenhaften, unsterblichen Elben. Die Figuren sind fast alle langhaarige Sonderwesen, die gestelzt sprechen und eigentlich in jeder Einstellung die Steilvorlage für Parodien bieten. Und doch haben sich keine durchgesetzt, weil die Menschen dieses Märchen bewahren wollen, es nicht der Lächerlichkeit preisgeben, sondern es ganz bewusst ernst nehmen.

"Ein Ring, sie alle zu knechten", da schaudert es den Zuschauer wohlig. Er erwartet die Schlacht, er folgt den Gefährten, später den Zwergen auf ihren unheimlichen Reisen, bei denen hinter jeder Ecke Orks, die widerlichen Monster des Oberbösewichts Sauron, lauern, für Arachnophobiker kaum zu ertragende Riesen-Spinnen oder feuerspeiende Drachen. An die perfekt animierten Bilder schmiegt sich die großartige Filmmusik des Komponisten Howard Shore, der für Ring, Hobbits, Elben und das Bösen eigene, unverwechselbare Themen schuf.

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Foto: AP

Das Herzstück sind die "Ringe"-Filme

Im Zauberer Gandalf (Ian McKellen) gibt es eine Art magischen Übervater, der immer mehr zu wissen scheint als seine Mitstreiter und deshalb der heimliche Chef der Guten ist. Er ist alt, weißhaarig und hat einen langen Bart, ein Abbild eines Zauberer-Klischees mit spitzem Hut, doch in einer Fantasiewelt gibt es Kategorien wie Klischees nicht, sie sind die Laster der Zyniker auf der anderen Seite, der realen Seite, der wirklichen Welt.

Obwohl immer klar ist, dass die Richtigen am Ende gewinnen werden, macht der Zuschauer auf den Höllentrips durch Mittelerde alle Dramen mit, er erschrickt sich, zittert um die Helden in ihrem Kampf gegen zehn Mal größere, Zähne fletschende Ekelwesen und schwankt zwischen Mitleid und Abscheu für das greise, magere Geschöpf Gollum, das niedlich war wie ein Hobbit, bevor es der Ring zum Freak machte, der nur für seinen "Schaaatz" lebt.

Das eigentliche Herzstück dieses Kino-Wunders sind die "Ringe"-Filme. Sie haben Millionen Menschen, besonders jene, die Tolkiens Buch nicht gelesen haben, in diese überwältigende Parallelwelt Mittelerde geführt, in ihnen kindliche Begeisterung geweckt und damit einen Rückzugsort für die Seele geschaffen. Im Gegensatz zum monumentalen Wälzer "Der Herr der Ringe" ist "Der Hobbit" ein 300-seitiges Kinderbuch, und das merkt man den drei Teilen der jüngeren Peter-Jackson-Filme auch an.

Es ist wohl ein Abschied für immer

Besonders der erste Teil hat zumindest im ersten Drittel gewisse Längen, und der Gedanke, dass hier viele Menschen ein weiteres Mal an der Gelddruckmaschine Tolkien verdienen wollten, drängt sich auf. Geklappt hat es prächtig, die beiden "Hobbit"-Filme haben bislang 1,5 Milliarden Dollar eingespielt, rund eine Milliarde dürfte Teil drei einbringen. Dennoch gelingt es auch ihnen, den Zauber dieser Erzählwelt in den Kinosaal rieseln zu lassen und die Menschen drei Stunden lang in ihre Sitze zu drücken.

Denn auch sie spielen in Mittelerde und zeigen vertraute Schlüsselfiguren wie Gandalf, den Elb Legolas (Orlando Bloom), das Wesen Gollum (Andy Serkis), die Elbenkönigin Galadriel (Cate Blanchett) und Bilbo Beutlin (Martin Freeman, im "Herr der Ringe" als alter Mann gespielt von Ian Holm) und verfeuern aufs herrlichste Unmengen von Geld, um atemberaubende Spezialeffekte zu schaffen, die nicht wie Spezialeffekte aussehen. Schon spekulieren Fans weltweit, dass selbst der dritte "Hobbit"-Teil noch nicht das Ende ist, weil es weitere Tolkien-Geschichten über Mittelerde gibt. Gandalf-Darsteller Ian McKellen befeuerte solche Gerüchte mit der Aussage, dass die "Reise noch nicht vorbei sein" müsse.

Doch nachdem Peter Jackson schon die "Hobbit"-Trilogie ursprünglich seinem Kollegen Guillermo del Toro überlassen wollte, mag man ihm glauben, dass es nun, nach sechs extrem aufwendig produzierten Filmen in 13 Jahren, endgültig vorbei ist. Die Rechte an den verbliebenen Werken halten die Tolkien-Erben, die sich nicht gerade positiv über die bisherigen Verfilmungen geäußert haben. So schimpfte Tolkiens Sohn Christopher: "Sie haben die Bücher ausgeweidet, indem sie Actionfilme für ein junges Publikum zwischen 15 und 25 Jahren daraus gemacht haben."

So verlässt der Zuschauer nach der "Schlacht der fünf Heere" wohl endgültig das wunderbar-schaurige Refugium Mittelerde. Die Bilder im Kopf aber bleiben. Für immer.

(gev)
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