Helena Zengels erste Hauptrolle Auf dem Weg zur Systemsprengerin

In dem Fernsehspiel „Die Tochter“ übernahm die damals acht Jahre alte Helena Zengel ihre erste Hauptrolle. Nun ist die Produktion in der ZDF-Mediathek zu sehen.

 Helena Zengel in „Die Tochter“.

Helena Zengel in „Die Tochter“.

Foto: missingFILMs

Welche unbändige Kraft, Wut und Enttäuschung in einem Kind stecken kann, zeigte die damals elf Jahre alte Helena Zengel in „Systemsprenger“. Als Schwererziehbare schleuderte sie ein Bobby-Car nach dem anderen gegen eine Scheibe, bis die Sicherheitsverglasung nachgab. Sie brachte Pflegefamilien, Wohngruppen und Sozialarbeiterinnen zur Verzweiflung und machte gleichzeitig in der aggressiven Energie die verletzte Seele ihrer Figur auf herzzerreißende Weise sichtbar. Die Welt staunte über das schauspielerische Potenzial des Mädchens. Zuerst während der Weltpremiere auf der Berlinale, wo „Systemsprenger“ 2019 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Dann beim deutschen Filmpreis, wo sich Helena Zengel als beste Hauptdarstellerin durchsetzen konnte. Und schließlich in Hollywood, wo man sie für den Western „Neues aus der Welt“ an der Seite von Tom Hanks unter Vertrag nahm und das „german wunderkind“ gleich mit einer Golden-Globe-Nominierung ehrte.

Nun ist im ZDF Mascha Schilinskis „Die Tochter“ zu sehen, jener Film, in dem Zengel ihre erste Hauptrolle absolvierte. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war das Mädchen acht Jahre alt. Aber schon hier wird klar, welche schauspielerische Kraft in diesem Kind steckt.

„Wir lieben dich über alles und werden immer für dich da sein. Es wird sich niemals etwas daran ändern“, verspricht die Stimme der Mutter aus dem Off, während die Kamera die Klippe hinab in die Meeresbrandung blickt. Es ist der letzte Urlaubstag auf einer griechischen Insel, an dem Jimmy (Karsten Antonio Mielke) und Hannah (Artemis Chalkidou) ihrer Tochter Luca (Zengel) eröffnen, dass sie sich trennen werden. Nach dem Start des Flugzeugs landet der Film zwei Jahre später in Berlin, wo sich die getrennte Familie mit den Gegebenheiten arrangiert hat. Luca wohnt bei ihrer Mutter, und Jimmy kommt sie dort regelmäßig besuchen. Vertraut und ausgelassen sind Vater und Tochter miteinander, albern herum, oft auch hinter Hannahs Rücken. Luca ist ein Papakind, da gibt es gar nichts zu deuteln. Wenn der herzkranke Vater entgegen seinem Versprechen nicht angerufen hat, dreht das Mädchen am Rad. Sie gibt nicht eher Ruhe, bis sie quer durch die Stadt fahren und an Jimmys Tür trommeln.

Als sich ein Käufer für das Ferienhaus in Griechenland findet, fahren die drei zum ersten Mal zurück auf die Insel, um das Haus gemeinsam zu renovieren. Aber was als letzter Schritt für die Abwicklung der ehelichen Beziehung beginnt, wird unversehens zu einem Neuanfang. Jimmy und Hannah entwickeln im Erinnerungsraum des Ferienhauses wieder Gefühle füreinander – was der Tochter ganz und gar nicht gefällt. Bisher hatte Luca ihren Vater allein für sich und nun soll sie ihn wieder mit der Mutter teilen? Das Kind wehrt sich in der ödipalen Konstellation mit Haut und Haaren gegen die familiäre Wiedervereinigung. Schon hier fasziniert Helena Zengel durch eine feine Balance von kindlicher Machtausübung und seelischer Zerbrechlichkeit.

Aber „Die Tochter“ ist nicht nur eine reine Zengel-Show. Auch in visueller Hinsicht hat dieses „Kleine Fernsehspiel“ viel zu bieten. Schilinski nutzt gewinnbringend die bizarre Küstenlandschaft der Insel, die Brandung an den schwarzen Stränden und die engen Gassen zwischen den weiß getünchten Häusern als metaphorische Projektionsfläche, auf der die wechselnden Emotionen von Eltern und Kind gespiegelt werden.

Info „Die Tochter“ ist in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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