Theaterstück in Hamburg Für immer Harry Potter

Düsseldorf · Die Faszination der Romane ist ungebrochen. Jetzt kommt eine achte Geschichte in Hamburg auf die Bühne. Über ein Phänomen.

 In „Harry Potter und das verwunschene Kind“ ist der Zauberer mit der Blitznarbe (gespielt von Markus Schöttl) gealtert. Die Faszination für die magische Welt des Romanhelden hält aber auch mehr als 20 Jahre nach Veröffentlichung des ersten Bandes noch an.

In „Harry Potter und das verwunschene Kind“ ist der Zauberer mit der Blitznarbe (gespielt von Markus Schöttl) gealtert. Die Faszination für die magische Welt des Romanhelden hält aber auch mehr als 20 Jahre nach Veröffentlichung des ersten Bandes noch an.

Foto: dpa/Axel Heimken

Die berühmteste Narbe der Welt hat die Form eines Blitzes. Sie prangt auf der Stirn des Zauberlehrlings Harry Potter, jener Romanfigur, deren Geschichte bis heute Millionen von Jugendlichen (und Erwachsenen) auf der ganzen Welt verzaubert. Ja, verzaubert. Man kann es kaum anders sagen, denn Faszination und Begeisterung für die Welt von Harry Potter sind seit dem Erscheinen des ersten Bandes 1997 in Großbritannien nahezu ungebrochen. Ein riesiger Kosmos ist entstanden, ein lukrativer Millionenmarkt für Potter-Schöpferin Joanne K.Rowling.

Deutlich machen das ein paar Daten: Weltweit wurden bislang mehr als 500 Millionen Exemplare der sieben Bücher verkauft, in Deutschland verkauften sie sich nach Angaben des Carlsen-Verlages, in dem die Titel erscheinen, mehr als 36 Millionen mal. Es gibt acht Kinofilme, eigene Themenwelten in Freizeitparks, eine neue Filmserie und nun auch noch ein Theaterstück mit dem Namen „Harry Potter and the Cursed Child“ (dt. „Harry Potter und das verwunschene Kind“), das aktuell in London, New York, San Francisco und Melbourne aufgeführt wird und am Wochenende seine deutsche Premiere in Hamburg feiert. Erzählt wird in dem Stück eine achte Harry-Potter-Geschichte ­19 Jahre nach Ende des siebten Bandes.

Doch was macht die Faszination für diesen Harry Potter aus? Auch hier hilft ein Blick auf die Zahlen: Der erste Band, „Harry Potter und der Stein der Weisen“, erschien 1997 (in Deutschland 1998), der letzte Band 2007. Zu Beginn der Reihe ist Harry elf Jahre alt, am Ende ist er 17 und volljährig in der Zaubererwelt. Gleiches gilt für seine ersten Leser: Als Kinder haben sie angefangen, die Geschichte zu lesen, als (zumindest gefühlt) Erwachsene beendeten sie die Lektüre. Sie sind mit Harry aufgewachsen. Und er hat geholfen: Der Waisenjunge, der bei Verwandten aufwächst, die ihn nicht wollten, hat einerseits mit ganz weltlichen Problemen zu kämpfen wie dem Wunsch, dazuzugehören, er ist kein Musterschüler, er hadert mit sich – und hat auch mal Liebeskummer.

Harry Potter: Warum die Faszination für den Zauberschüler nicht abreißt
Foto: Carla Schnettler

Gleichzeitig bekämpft er das Böse in Form seines Erzfeindes, dem schwarzen Magier Lord Voldemort. Harry muss all dies nicht alleine tun, er hat Freunde, und was für welche! Wer Menschen wie Ron und Hermine an seiner Seite hat, der kann alles schaffen. Das Freundschaftsmotiv ist eines der zentralen in den Büchern, und es macht Hoffnung. Noch heute macht dieses Motiv die Bücher für Kinder und Jugendliche so wertvoll.

Gleichzeitig lehren die Bücher auch Erwachsene einiges, auf sehr plakative Art machen sie etwa deutlich, wie Ausgrenzung eine Gesellschaft spaltet: Für Antagonist Lord Voldemort sind Zauberer, deren Eltern nicht-magisch sind, unrein, sie werden als „Schlammblüter“ bezeichnet und verfolgt. Angst und Schrecken herrschen – bis (natürlich) Harry die Welt rettet.

Trotzdem ist die Geschichte vom Jugendlichen, der gegen das Böse kämpft, als solche keine revolutionäre Idee. Was die Bücher jedoch darüber hinaus ausmacht, ist die Detailverliebtheit, mit der Rowling von dieser Fantasiewelt erzählt: Da gibt es Butterbier zu trinken, hüpfende Schokoladenfrösche und die Figuren auf Gemälden leben und mischen sich nur allzu oft ungefragt ein. Diese Welt ist so schön, sie macht beinahe süchtig.

Das hat sich Rowling zunutze gemacht und ein Potter-Imperium aufgebaut: 2012 gründete sie beispielsweise die Plattform „Pottermore.com“, auf der Fans sich registrieren und mehr über die magische Welt erfahren konnten. Inzwischen heißt die Internetseite „Wizarding World“ (Zaubererwelt) und ist ein Zusammenschluss von Pottermore und Warner Bros. Der Potter-Kosmos ist nämlich größer geworden: 2016 gab Rowling ihr Debüt als Drehbuchautorin, entstanden ist der Film „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, ein zweiter Teil folgte 2018. Insgesamt soll es einmal fünf Filme geben. Die Handlung spielt Jahrzehnte vor den Potter-Büchern, erzählt wird die Geschichte des Tierforschers Newt Scamander, von Harrys späterem Schulleiter Albus Dumbledore und dessen Sieg über Schwarzmagier Gellert Grindelwald. Nicht nur, dass es in dem Film nicht um Harry Potter geht, nein, auch örtlich wird der Zaubererwelt größer: Beschränkten sich die Potter-Bücher fast nur auf Großbritannien, lernte man in den neuen Filmen bislang die Zaubererwelt in den USA und Frankreich kennen – mit vielen weiteren liebevollen Details.

Längst ist die magische Welt zudem betretbar (und käuflich): Die Universal Studios haben in Kalifornien und Florida das Hogwarts-Schloss, Harrys Schule, inklusive des verschneitem Dorfs Hogsmeade nachgebaut. Das Butterbier wird dort frisch gezapft, in Florida wurde zudem noch die Kulisse des magischen Londons nachgebaut. Das gefällt nicht nur den erwachsenen Fans, sondern vor allem den jüngeren – zum Leidwesen der Eltern, denn nicht nur der Parkeintritt ist nicht ganz günstig, in den Geschäften dort kann man zusätzlich vom Schokofrosch bis zur Hogwarts-Garderobe alles kaufen. Ein einträgliches Geschäft, außerdem hat sich Rowling mit dieser erlebbaren Welt auch die Gunst der nächsten Potter-Generationen gesichert.

Vor allem an die erwachsenen Fans richtet sich derweil das Theaterstück, dessen Skript Rowling mit zwei weiteren Autoren entwickelt hat und sich als Buch in Deutschland bereits 1,3 Millionen mal verkauft hat. Denn das Stück dauert so lang, dass es in zwei Teilen aufgeführt wird, entweder an einem Tag, der mittags beginnt und spätabends endet, oder an zwei langen Abenden. Das ist zu lang für die jüngsten Potter-Fans.

Das belegen auch die Zahlen: 85 Prozent der Besucher, die bereits ein Ticket für die Produktion in Hamburg gekauft haben, sind zwischen 18 und 44 Jahre alt, heißt es von der hiesigen Produktionsfirma Mehr-BB Entertainment. Mehr als 300.000 Tickets wurden verkauft, weitere 250.000 Tickets für Aufführungen bis Januar 2021 sind seit Anfang der Woche im Verkauf.

Bleibt die Frage, ob das alles so sein muss. Ob nicht irgendwann mal gut ist. Kritik gab es an Rowling schon oft: Immer wieder twittert sie nämlich weitere Details zu den Romanen, in einem Interview äußerte sie beispielsweise einst Zweifel an der Entscheidung, Hermine und Ron zu einem Ehepaar gemacht zu haben. Harry und Hermine hätten besser gepasst, sagte sie. Immer wieder nahmen Fans ihr solche Aussagen übel. Allerdings gibt es trotzdem weiter genügend wissbegierige Abnehmer, die sie einfach nicht missen wollen, diese schöne magische Welt. Und warum? Darauf antworten Potter-Fans nur: „Immer.“

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