Entdeckung des deutschen Films Hannah Herzsprung — auf dem Weg zum Star

Düsseldorf (RP). Einen Preis nach dem anderen gewinnt Hannah Herzsprung: Der 28-Jährigen sind die Auszeichnungen aber nicht wichtig – sie will nur spielen. Deshalb nimmt sie es auch mit der Wahrheit nicht so genau, wenn eine Rolle sie reizt.

Hannah Herzsprung: Der neue Star des deutschen Films
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Düsseldorf (RP). Einen Preis nach dem anderen gewinnt Hannah Herzsprung: Der 28-Jährigen sind die Auszeichnungen aber nicht wichtig — sie will nur spielen. Deshalb nimmt sie es auch mit der Wahrheit nicht so genau, wenn eine Rolle sie reizt.

Zur Aufnahmeprüfung einer Schauspielschule hat die Schauspielerin Hannah Herzsprung es noch nicht geschafft. Die Unterlagen zur Anmeldung lagen schon oft auf dem Schreibtisch in ihrer Wohnung, irgendwo unter einem Stapel mit anderen Papieren. Abgegeben hat sie sie noch nie.

Die Furcht vor den Prüfungen

Hannah Herzsprung fürchtet sich vor Prüfungen. Nicht davor, ein "Nein" zu hören und nicht genommen zu werden, sondern vor der Situation selbst. Wenn die Schauspielerin zu Film-Castings geht, ist sie auch da, die Angst. Nicht so sehr, dass sie lähmt, sondern gerade so, dass sie Mut freisetzt. Mut, zu lügen, um eine Rolle zu bekommen. Mut, bis an den Rand der körperlichen Möglichkeiten zu spielen. Hannah Herzsprung geht dann bis zu dem Punkt, an dem andere Menschen ihre Darstellung mit Naturgewalt-Begriffen wie "Sturm" oder "Donner" belegen.

Mit "Vier Minuten" gelingt der Durchbruch

Bei "Vier Minuten", dem Film, mit dem Herzsprung der Durchbruch gelang, ist das 2006 so. Die Schauspielerin trägt beim Casting eine Kurzhaar-Perücke, um ihrer Filmfigur zu ähneln, schneidet sich die Jeans mit einer Nagelschere kaputt, schluckt ein Stück Papier herunter, weil es so im Drehbuch steht. Und lügt, als der Regisseur sie fragt, ob sie Klavier spielen könne. "Ich kann an keinem Klavier vorbeigehen, ohne zu spielen", sagt Herzsprung zu Chris Kraus. In Wahrheit beherrscht sie nur den Flohwalzer. Schlimm findet Herzsprung das heute noch immer nicht. "Schummeln ist okay, und ein paar Notlügen sind es auch", sagt die 28-Jährige. Schwindeleien würden manchmal auch einfach eine Situation erleichtern — im Fall von "Vier Minuten" war das so.

"Mein persönlicher Sechser im Lotto"

Herzsprung ist in Wien, als sie das Drehbuch bekommt. Sie liest es in Windeseile durch und weiß, dass sie diese Rolle unbedingt haben muss. "Das war mein persönlicher Sechser im Lotto." Die Geschichte von der verurteilten Mörderin, die im Gefängnis Klavierstunden bekommt, berührt sie, verändert etwas in Herzsprung, löst sofort Bilder und Vorstellungen in ihrem Kopf aus. Keine Sekunde zögert sie, zum Casting zu fahren. Denn Angst hat sie nicht. "Ich trau mir schon eine ganze Menge zu. Nur realistisch machbar muss es sein", sagt Herzsprung. Beim Casting habe sie ihn schlicht "weggeblasen", sagt Chris Kraus, Regisseur des Dramas.

Keine halben Sachen

Für die Entscheidung, wegen "Vier Minuten" von Wien (wo sie Kommunikationswissenschaften studiert) nach Berlin zu ziehen, braucht Hannah Herzsprung nicht lange. "Ich habe überlegt, das parallel zu machen — die Schauspielerei und das Studium. Aber ich hab auch schnell gemerkt, dass ich das nicht hinbekomme", sagt sie. Halbe Sachen sind nichts für die gebürtige Hamburgerin. Wenn sie sich für etwas entscheidet, dann bitte richtig und mit Hingabe. Sei es, dass sie für einen Film fünf Monate lang täglich mehrere Stunden Klavier übt, sei es, dass sie ihrem Lebenstraum, der Schauspielerei, konsequent nachgeht. Immer ganz — oder nicht.

Späte Entdeckung der Schauspielerei

Ihre Eltern haben diesen Traum lange nicht aktiv unterstützt, obwohl Hannahs Vater der Schauspieler Bernd Herzsprung ist. Die Familie lebt auf einem Bauernhof in der Nähe von München, als Hannah noch klein ist. Sein Schauspieler-Leben lässt Herzsprung außen vor, Hannah und ihre Schwester Sarah kommen lange nicht damit in Berührung. Der Vater nimmt seine Kinder nicht mit zu Dreharbeiten, erzählt nicht von der Welt mit Glitzer und Glamour.

Hannah ist elf Jahre alt, als ein Filmteam den Bauernhof mietet. Sie ist fasziniert davon, dass das kleine Mädchen mit der Hauptrolle einen anderen Menschen spielen darf. Hannah spricht mit ihren Eltern über den Traum vom Schauspielen. Die Eltern sagen, Hannah solle die Schule beenden, nicht auf dumme Ideen kommen. "Damals hätte ich mir gewünscht, dass mein Vater mir hilft", sagt Herzsprung. Heute ist sie froh, dass er es nicht getan hat. Dass ihre Eltern darauf bestanden haben, dass sie Abitur macht, und ihr dann nicht im Weg standen bei der Berufswahl. Hannah geht zur Schule und steht parallel vor der Kamera. Als 16-Jährige in der Serie "Aus heiterem Himmel", mit Anfang 20 in "18 — Allein unter Mädchen". "Das war der richtige Weg für mich", sagt sie.

Im Nachhinein mit Entscheidungen oder Entwicklungen zu hadern, ist ohnehin nicht die Sache von Herzsprung. "Ich kann Erlebtes nicht wiederholen, sondern nur versuchen, meine Sache jedes Mal so gut wie möglich zu machen", sagt sie. Herzsprung ist keine von den Schauspielerinnen, denen es heute unsagbar peinlich ist, in Fernsehserien mitgespielt zu haben. "Wenn die Geschichte gut ist, ist es egal, was für ein Format es ist", sagt sie.

In "Lila, Lila" ist Herzsprung unterfordert

Nicht in ihrem aktuellen Film "Lila, Lila" mitzuspielen, nur weil es eine "romantische Komödie" ist, wäre ihr deshalb nie eingefallen. "Ich fand das Buch von Martin Suter großartig, so ein Stoff ist ein Geschenk", sagt sie. In "Lila, Lila" geht es um David, der sich in die Literaturstudentin Marie verliebt. Um sie zu beeindrucken, gibt er ein altes Manuskript als sein eigenes aus. Marie verliebt sich in David, schickt den Text an einen Verlag und löst damit eine Reihe von Verwirrungen aus. Der Film ist harmlos-unterhaltsam, weit entfernt von tiefgründig, Daniel Brühl gibt — wie in "Goodbye Lenin" — den Jungspund, dessen Lügenkonstrukt zusammenfällt.

Doch Hannah Herzsprung trägt den Film, macht ihn nett und ansehbar — und ist ziemlich unterfordert. Sie muss nicht arbeiten wie in "Vier Minuten" oder "Das wahre Leben", darf nicht frech sein wie in "Pink". Aber selbst, wenn Herzsprung unzufrieden wäre mit ihrer Arbeit: Sie würde sich nicht lange damit aufhalten. "Das tut mir nicht gut." Sie würde das machen, was sie am besten kann: schauspielern. Die Aufnahmeunterlagen bleiben erst mal auf dem Schreibtisch liegen.

(RP)
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