Großartiger Oscar-Anwärter: "Das Mädchen Wadjda"

Es ist grün, hat bunte Bänder am Lenker und blitzenden Chrom – für Wadjda ist das Fahrrad im Spielzeugladen ihr sehnlichster Wunsch. Doch was für Kinder in westlichen Ländern selbstverständlich erscheint, ist für die Schülerin aus Saudi-Arabien kaum zu erreichen. Denn Radfahren ist eine Sache, die Mädchen in dem streng islamischen Land nicht machen. Trotzdem setzt sie alles daran, genug Geld für ihren Herzenswunsch zu sammeln.

Der Film "Das Mädchen Wadjda" von Haifaa Al Mansour ist ein berührendes Plädoyer für starke Mädchen und Frauen, die sich von den Konventionen der Männergesellschaft nicht einengen lassen wollen und sich mit Mut, Witz und Verstand kleine Freiheiten erkämpfen. So wie die Filmemacherin. Gegen zahlreiche Widerstände hat sie den ersten Spielfilm durchgesetzt aus einem Königreich, in dem es keine Kinos gibt.

Wadjda ist anders als ihre Klassenkameradinnen. Zwar ist sie vorschriftsmäßig verhüllt von Kopf bis Fuß. Doch unter dem langen, schwarzen Mantel blitzen Turnschuhe hervor. Und statt züchtig und brav ihren Schulweg zu gehen, jagt sie sich mit dem Nachbarsjungen Abdullah. Der kurvt mit seinem Rad umher und hin und wieder lässt er auch Wadjda eine Runde drehen.

Ihre Mutter hält davon nichts: "Du wirst keine Kinder bekommen können, wenn Du Fahrrad fährst", erklärt sie der aufsässigen Tochter. Doch die Elfjährige gibt nicht auf. Ausgerechnet ein Schulwettbewerb im Zitieren von Koran-Versen soll ihr helfen, das Geld für das Fahrrad zu sammeln.

Haifaa Al Mansour gibt Einblicke in den Alltag einer saudi-arabischen Familie, in der Frauen außerhalb des Hauses keinen Schritt alleine gehen dürfen. Auffallen sollten sie besser nicht. "Die Stimme einer Frau ist ihre Nacktheit", weist die hübsche, aber verbitterte Lehrerin Wadjda zurecht.

Dafür geht es in der Wohnung umso fröhlicher zu. Wadjda und ihre Mutter singen Lieder aus Filmen, sie lachen und erzählen sich Geschichten. Einen Schatten wirft nur der Vater, der eine andere Frau heiraten will. "Gebäre mir einen Sohn, und alles wird gut", wirft er seiner Frau an den Kopf. Der Vater weiß: Wenn er geht, ist die einzige Verbindung seiner Frau zur Außenwelt der Fahrer, der die Lehrerin jeden Morgen zur Arbeit fährt.

"Das Mädchen Wadjda" ist ein Glücksfall. Al Mansour kann sich sogar Chancen auf den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausrechnen.

(RP)
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