Wirbel um Buch über die Filmwelt Gab es einen Pakt zwischen Nazis und Hollywood?

Los Angeles · Ein neues US-Buch wirft dem Hollywood der 1930er Jahre vor, sich bei seinen Filmen dem Einfluss der Nazis gefügt zu haben. Noch ist es nicht erschienen, doch schon jetzt hat "The Collaboration: Hollywood's Pact with Hitler" (dt.: Die Kollaboration: Hollywoods Pakt mit Hitler) einen Skandal in der amerikanischen Filmwelt ausgelöst.

Die Skandale der Filmwelt
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Foto: Cover, Kombo rpo

Legendäre Hollywood-Studios, wie etwa MGM, Fox, Universal oder Paramount, hätten sich vor dem Zweiten Weltkrieg bereiterklärt, ihre Filme vor der Veröffentlichung in Deutschland Nazi-Funktionären vorzuführen und umstrittene Szenen herauszunehmen, so lautet der Vorwurf von Autor Ben Urwand.

Auszüge aus dem Buch sind bereits vorab im US-Branchenblatt "Hollywood Reporter" erschienen, auch die "Huffington Post" berichtete darüber. Im Herbst soll das Werk in den USA auf den Markt kommen. Ob es auch auf Deutsch erscheint, war zunächst nicht bekannt.

Drei Jahre vor Hitlers Machtergreifung soll die Selbstzensur begonnen haben, schreibt Urwand. Der Oscar-prämierte Film "Im Westen nichts Neues" aus dem Jahr 1930 habe in Deutschland Proteste ausgelöst, angeführt von Joseph Goebbels. Der NS-Propagandachef unterstellte dem Film, deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg in ein schlechtes Licht zu rücken.

Daraufhin sei der Film aus deutschen Kinos verbannt worden. Erst als die Universal Studios ihn überarbeiteten und eine Zustimmung vom deutschen Auswärtigen Amt erhielten, sei eine aktualisierte Fassung in Europa auf den Markt gekommen, schreibt Urwand in seinem Buch.

Der damalige deutsche Generalkonsul in Los Angeles, Georg Gyssling, habe im Zentrum dieser Praxis gestanden und den amerikanischen Filmstudios mit dem sogenannten Artikel 15 gedroht. Mit dieser Reglung konnten Filme in Deutschland verboten werden, wenn deren Produktionsfirmen "anti-deutsche" Filme in der Welt verbreitet hatten. Der deutsche Markt galt damals als lukrativ.

Als Folge hätten einige Filmstudios zunächst nur Szenen für Filmvorführungen in Deutschland rausgeschnitten. Später seien sie dazu übergegangen, selbst in den Versionen für das amerikanische Publikum Sequenzen auf Wunsch der Nazis zu ändern, behauptet Urwand.
Damit habe Hollywood der Nazi-Propaganda in die Hände gespielt, folgert der Historiker.

In seinem Buch beschreibt er etwa, wie Louis B. Mayer, Studiochef von MGM, einem der ersten Anti-Nazi-Filme aus dem Jahr 1933, "The Mad Dog of Europe", eine Absage erteilt habe. "Wir haben gewaltige Einnahmen in Deutschland, und wenn es nach mir geht, wird dieser Film nie gemacht", zitiert er Mayer. Auch Jack Warner habe angeblich zugestimmt, im Film "Das Leben des Emile Zola" von 1937 alle Nennungen des Wortes Jude zu streichen. Das habe die klare Position des Films gegen Antisemitismus abgeschwächt, so Urwand.

Proteste gegen Urwands Version

Doch es gibt Protest gegen Urwands Darstellungen. So fällt Historiker Thomas Doherty von der Brandeis University ein vernichtendes Urteil. Urwands Vorwürfe seien "verleumderisch und historisch ungenau". Sie beschmutzten eine Industrie, die "darum kämpfte, Amerika auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, die sich in Deutschland zusammenbraute", schrieb er im "Hollywood Reporter".

Schon der Buchtitel sei irreführend, kritisiert Doherty. So wie die meisten Amerikaner, konnten auch Hollywoods Filmemacher in den 1930er Jahren noch nichts von Hitlers wahren Absichten ahnen, alle Juden zu vernichten, schreibt Doherty. "Heute scheint jeder Handel mit den Nazis unvorstellbar. In den 1930ern war es nicht so." Offiziell habe Deutschland noch immer als befreundetes Land gegolten.

Die Zensur von Filmen sei damals weit verbreitet gewesen, sagt Doherty, der mit "Hollywood and Hitler" jüngst selbst ein Buch zum Thema veröffentlicht hat. "Hollywood hat mehr als jede andere gewinnorientierte Branche dafür getan, die Alarmglocken gegen den Nationalsozialismus zu läuten", schreibt er. "Es ist keine Geschichte von Kollaboration, sondern eine von Widerstand."

(dpa)
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