Kinofilm „Schwesterlein“ Hoss und Eidinger in Bestform

Für „Schwesterlein“ stehen die beiden zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. Der Film erzählt von einem sterbenskranken Schauspieler.

 Nina Hoss mit Lars Eidinger in „Schwesterlein“.  Foto: dpa

Nina Hoss mit Lars Eidinger in „Schwesterlein“. Foto: dpa

Foto: dpa/-

Der Tod steht im Raum und wird ihn nicht mehr verlassen. Das ist eigentlich beiden klar: Sven (Lars Eidinger), dem an Leukämie erkrankten Schauspieler, und seiner um zwei Minuten jüngeren Schwester Lisa (Nina Hoss). Aber Sven will sein Leben und Lisa ihren Zwillingsbruder nicht aufgeben. Die Schwester fühlt sich verantwortlich für den Todkranken, denn sie weiß, wenn Sven stirbt, stirbt auch ein Teil von ihr.

Eine große, unumstößliche Geschwisterliebe stellen die beiden Schweizer Filmemacherinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond ins Zentrum ihres Filmes „Schwesterlein“. Für die Hauptrollen haben sie Nina Hoss und Lars Eidinger unter Vertrag genommen – zwei schauspielerische Schwergewichte, die zwar bei der Schauspielschule „Ernst Busch“ im selben Jahrgang waren, aber noch nie gemeinsam vor der Kamera standen. „Schwesterlein“ ist ein Schauspielerfilm – nicht nur wegen seiner herausragenden Besetzung, sondern auch, weil die Geschichte im sozialen Mikrokosmos der Theaterszene angesiedelt ist.

Sven füllt hier als Hamlet auch nach hunderten Vorstellungen die Reihen der Berliner Schaubühne, so wie Eidinger es in der legendären Inszenierung von Thomas Ostermeier seit 2008 tut. Ostermeier spielt selbst den Regisseur, der das Stück absetzt, obwohl Sven nach der Chemo wieder auf die Bühne will. „Ein Schauspieler, der begehrt wird, ist ein lebendiger Schauspieler. Wenn du ihm das nimmst, tötest du ihn schneller als jede Krankheit“, sagt Lisa zu dem Regisseur und ist nicht bereit, die Sachzwänge des Theaterbetriebes gelten zu lassen.

Dabei sind die Geschwister in diese Welt hineingeboren. Die Mutter stand für Zadek und Stein auf der Bühne, wie sie bei einem Glas Wein am Morgen nicht müde wird zu betonen. Wunderbar, wie Marthe Keller den abgestandenen Narzissmus der gealterten Diva ausspielt, die von der Krankheit des Sohnes und den Niederungen menschlichen Sozialverhaltens vollkommen überfordert ist. In einem kurzen Schlagabtausch zwischen Tochter und Mutter zu Beginn dieses ungeheuer dialogstarken Films wird hier die Geschichte einer Künstlerfamilie skizziert, in der die Geschwister sich nur auf sich selbst verlassen konnten.

Und so stellt Lisa auch jetzt die Sorge um den Bruder über alles. Seit Sven krank ist, hat die Theaterstück-Autorin keine Zeile mehr geschrieben. Sie holt ihn zu sich in die Schweiz, wo ihr Mann (Jens Albinus) ein Elite-Internat leitet, und riskiert schließlich sogar einen Ehekrieg, als Sven zurück nach Berlin will und sie ihm mit den Kindern folgt.

Ähnlich wie kürzlich in „Pelikanblut“ spielt Nina Hoss eine Frau, die für andere einsteht und zu enormen Opfern bereit ist. Sie tut dies ganz ohne Märtyrerinnen-Klischees, sondern mit einer inneren Kraft, die sich aus tiefer Verbundenheit speist. Mit nur einer kurzen Veränderung des Blicks kann Hoss die hereinbrechenden Momente der Resignation im Modus der Kämpferin spiegeln, die gemeinsam mit ihrem Bruder lernen muss, dem Tod ins Gesicht zu sehen, um den inneren Frieden zurückzugewinnen.

Wie Hoss und Eidinger diese geschwisterliche Verbundenheit in kleinen Gesten, aber auch in großen, dramatischen Momenten spielen, wird gerade durch die gezielt unsentimentale Inszenierung zu einem tief berührenden Kinoereignis.

Schwesterlein, Schweiz 2020 – Regie: Stéphanie Chuat, Véronique Reymond, mit Nina Hoss, Lars Eidinger, Marthe Keller, Jens Albinus, Thomas Ostermeier, 99 Min.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort