„Nö“ Skurriler Paar-Film voller schmerzhafter Momente

Szenen einer Ehe, Szenen des Lebens: Regisseur Dietrich Brüggemanns dunkelhumorige Komödie ist so ungewöhnlich wie erfrischend, so entlarvend wie satirisch.

 Alexander Khuon als Michael und Anna Brüggemann als Dina.

Alexander Khuon als Michael und Anna Brüggemann als Dina.

Foto: dpa/-

(dpa) Im Frühjahr gehörte er zu den Mitinitiatoren der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen: Der Regisseur, Musiker und Drehbuchautor Dietrich Brüggemann. In einer Reihe von Kurzvideos kommentierten namhafte Filmschaffende wie Jan Josef Liefers die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie auf mal vermeintlich satirische, mal vermeintlich ironische Art. Nicht nur Brüggemann wurde für die Teilnahme an der Aktion teils heftig kritisiert.

Im neuen Spielfilm des gebürtigen Müncheners kommt Corona mit keinem Wort vor. Um große Themen geht es gleichwohl, in dieser skurrilen, dieser ziemlich irren Komödie um ein Liebespaar im Strudel des Lebens. In den Hauptrollen zu sehen sind Anna Brüggemann und Alexander Khuon.

„NÖ“ ist nach „3 Zimmer/Küche/Bad“ und „Kreuzweg“ der fünfte Film, den das Geschwisterpaar Anna und Dietrich Brüggemann gemeinsam entwickelt hat. Während er, Dietrich, hinter der Kamera steht, ist sie, Anna, auch davor zu sehen. Es geht um die Nöte, die Sorgen, Wünsche und Ängste eines Paars, beide Anfang oder Mitte 30: Dina (A. Brüggemann) und Michael (Khuon).

„Ich denke manchmal, wir sollten uns trennen“, sagt er gleich zu Beginn. Doch diese Rechnung, die hat er ohne seine so resolute wie zerbrechliche Partnerin gemacht. Was folgt, ist ein auf wenige Szenen verteilter, mit wenigen Schnitten auskommender, sieben Jahre umspannender Reigen an Irritationen, Herausforderungen, Kämpfen und Versuchen, irgendwie als Paar klar zu kommen. Es geht um Familie und, nicht zuletzt, eine der größten Herausforderungen für viele Paare: das erste gemeinsame Kind.

Wiederholt reißt Brüggemann in „NÖ“ Löcher in die uns umgebende Realität: Da ist das unheimliche Monstergesicht, das den angehenden Vater beim ersten Baby-Ultraschall anglotzt. Da ist die einen sehr skurrilen Verlauf nehmende Operation, da sind all die Szenen, in denen das Gewissen, das Über-Ich, die Angst der Protagonisten plötzlich auf erschreckende Art und Weise direkt zu den Figuren zu sprechen scheint.

Was ist es, wovor angehende Eltern Angst haben? Wovor fürchten wir uns als Gesellschaft in diesen irren, diesen verwirrenden Zeiten? Brüggemann legt seinen Finger nicht nur auf die Wunden, zuweilen bohrt er richtiggehend in diesen herum. Das ist mal irre komisch, mal auch einfach nur schockierend. Die brutal-nüchterne, die zynische Art etwa mit der der famose Mark Waschke den angespannten Eltern nicht nur (gegen deren Willen) das Geschlecht des Babys verrät, sondern auch zugleich voll Verachtung über diejenigen urteilt, die keinen pränatalen Test auf Trisomien wünschen.

Brüggemann aber kultiviert einen Ton, der sich absetzt vom deutschen Kinogeschehen, der stets bemüht ist um seine Andersartigkeit. Die Herangehensweise der Geschwister, sie hat etwas sehr Erfrischendes – auch wenn sie nicht in jedem Moment dieses Films voll und ganz funktioniert. Schließlich ist es nicht zuletzt der Filmtitel selbst, der wie ein trotziges Statement wirkt: Mitmachen beim oft arg schablonenhaften, gefälligen deutschen Mainstream-Kino? Darauf hat Dietrich Brüggemann eine klare Antwort: „NÖ“.

(dpa)
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