„Nightmare Alley“ Rummelplatz der dunklen Geheimnisse

Guillermo del Toro („Shape Of Water“) bringt mit „Nightmare Alley“ einen sehenswerten Film Noir ins Kino. Obwohl die mit vielen Stars gespickte Produktion an den US-Kinokassen floppte, gelingt dem Regisseur die Erneuerung des Genres.

 Cate Blanchett als Doktor Lilith Ritter und Bradley Cooper als Stanton Carlisle.

Cate Blanchett als Doktor Lilith Ritter und Bradley Cooper als Stanton Carlisle.

Foto: dpa/Kerry Hayes

Fabelwesen und phantastische Welten, dafür ist Oscar-Preisträger Guillermo del Toro bekannt. Für seine Romanadaption von William Lindsay Greshams „Nightmare Alley“ belebt er das Genre des klassischen Film Noir neu.

 Bizarre, dunkel, grotesk und abgründig – auch in seinem neuen Film bleibt Academy-Award-Gewinner Guillermo del Toro seiner Vorliebe für das Düstere treu. Diesmal ist es nicht ein gequältes Fabelwesen wie in seinem Oscar prämierten Meisterwerk „Shape of Water“, das im Mittelpunkt seiner Geschichte steht, sondern ein besessener und  von Gier getriebener Illusionist. Für „Nightmare Alley“ taucht del Toro dafür tief in die Abgründe der menschlichen Psyche ein.

Zentrale Figur ist Stanton Carlisle (Bradley Cooper), der eines Tages auf dem Jahrmarkt des zwielichtigen Schaustellers Clem Hoately (Willem Dafoe) auftaucht. Schlitzohrig macht er sich unentbehrlich auf dem Rummel, beobachtet genau, lernt die Tricks des Mentalisten-Duos Zeena & Pete (Toni Collette und David Strathaim) und gibt der jungen Molly (Rooney Mara) Tipps, wie sie ihre Show verbessern kann. Bald schon ist Carlisle des Tingel-Tangels überdrüssig und nutzt die Chance nach Petes Tod, mit dessen Aufzeichnungen eine eigene Nummer als Mental-Illusionist zu entwickeln. Gemeinsam mit Molly zieht er fortan reichen Großstädtern das Geld aus der Tasche, bis ihm die Psychiaterin Lilith Ritter (Cate Blanchett) auf die Schliche kommt und ein lukratives Geschäft vorschlägt.

Wie immer bei del Toro ist auch „Nightmare Alley“ mit viel Liebe zum Detail inszeniert und ausgestattet. Die Bilder sind überwiegend in diffuses Licht getaucht. Dabei bilden die schlammig-matschigen Jahrmarktszenen mit heruntergekommenen Zelten und Wagen einen schmuddeligen Kontrast zu den mondän ausgestatteten Räumen, die Stanton und Molly nach ihrem Abschied von der Zirkus-Welt betreten. Passend dazu spielen die Außenszenen in einer kalten Winterlandschaft. Unterschwellig liegt schon allein durch die visuelle Umsetzung immer etwas Bedrohliches in der Luft. Stanton trägt ein dunkles Geheimnis mit sich, ist ein Getriebener, der sich trotz Warnung seines alten Kumpels Pete, an der Macht berauscht, die er mit Hilfe von Psychotricks über andere haben kann. Mit Lilith hat er eine ebenbürtige Verbündete gefunden, die er im Glauben, sie manipulieren zu können, maßlos unterschätzt.

Del Toro adaptierte gemeinsam mit Kim Morgan die Romanvorlage von William Lindsay Gresham als Entwicklungsgeschichte, an deren Ende konsequenterweise der Abgrund stehen muss.

Für die Besetzung hat der Filmemacher eine Starriege gewinnen können, die selbst in kleinen Nebenrollen brilliert. Allein das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Cooper und Blanchett als Femme fatale, die in ihrer Gier und Hybris dem ehrgeizigen Stanton in nichts nachsteht, ist sehenswert. Die Spannung zieht „Nightmare Alley“ nicht zuletzt aus den vielschichtigen Charakteren und überraschenden Wendungen.

Del Toro erfindet das Rad zwar nicht neu, schafft es aber dennoch, dem Genre des „Film Noir“ Leben einzuhauchen. Zeichnete es sich doch ursprünglich vor allem durch seine pessimistische Weltsicht aus. Entsprechend bedient sich del Toro einer düsteren Ästhetik und vom Leben enttäuschten Protagonisten, denen er mit einer psychologischen Dichte Glaubwürdigkeit verleiht.

Die Dreharbeiten begannen im Januar 2020, mussten jedoch durch Corona für mehrere Monate unterbrochen werden. Erst im September 2020 konnte das Team wieder zurück an den Set in Buffalo und Ontario, um den Film fertigzustellen.

An den US-Kinokassen floppte „Nightmare Alley“ Ende 2021. Das durch die Pandemie gebeutelte Publikum lechzte wohl mehr nach seichter Unterhaltung, die del Toro mit seiner über zweistündigen Romanverfilmung nicht bedient. Man muss sich einlassen auf die Figuren, jede für sich von dunklen Motiven getrieben. Dann jedoch zieht es den Zuschauer hinein in das Panoptikum aus Jahrmarkt-Grusel und die Faszination für Illusionisten.

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