„The Eddy“ Die filmische Entsprechung des Jazz

Nach „La La Land“ nun eine Serie: „The Eddy“ von Damien Chazelle bei Netflix.

 Leila Bekhti und Tahar Rahim in „The Eddy.“

Leila Bekhti und Tahar Rahim in „The Eddy.“

Foto: AP/Roger Do Minh

Damien Chazelle gehört zu den ganz Großen unter den jungen Regie-Talenten in Hollywood: 35 Jahre alt, vier Filme, die zusammen mit 14 Oscars ausgezeichnet wurden. Dabei ist vor allem die Musik die treibende Kraft in seinen Werken. In „Whiplash“ (2014) erzählte er von einem ehrgeizigen Schlagzeug-Studenten, und in „La La Land“ (2017) stellte er einer angehenden Schauspielerin einen glücklosen Jazz-Pianisten zur Seite, der zwischen Kunst und Kommerz seinen Weg suchte. Alles an „La La Land“ war Musik: die genial choreografierte Eröffnungssequenz, die rhythmisch geschnittenen Bildfolgen und natürlich die Songs, mit denen das Genre des Musicals kraftvoll wiederbelebt wurde.

Wer mit den Erinnerungen an „La La Land“ in Chazelles neue Netflix-Serie „The Eddy“ hineinstolpert, wird zunächst ernüchtert sein. Mit dem zarten Schmelz des romantischen Singspiels hat diese TV-Produktion nichts zu tun, auch wenn sie demonstrativ in der Stadt der Liebe angesiedelt ist. In Paris betreibt der US-Amerikaner Elliot (André Holland) mit seinem besten Freund Farid (Tahar Rahim) einen Jazz-Club. Elliot war selbst einmal in New York ein gefeierter Pianist, aber seit dem Tod seines Sohnes hat er sich nicht mehr auf die Bühne begeben. Während Elliot sich um die musikalische Qualität des Clubs und der Haus-Band kümmert, versucht Farid die kriselnden Finanzen in den Griff zu bekommen. Dafür hat er die Hilfe krimineller Geldgeber in Anspruch genommen, die nun ihre Schulden eintreiben wollen.

Die erste Episode endet mit einem schmerzhaften Verlust, deren Folgewirkungen sich durch die achtteilige Serie ziehen werden. Als Elliots Tochter Juliet (Amandla Stenberg) plötzlich in Paris vor der Tür steht, kommen zur Sorge um den Club noch die väterlichen Verantwortlichkeiten für eine rebellierende Jugendliche. Der wunderbare André Holland („Moonlight“) spielt die unterdrückten Emotionen eines Mannes, der verzweifelt um die Kontrolle seines Lebens kämpft, mit einer brodelnden Energie aus. Aber wie in einem guten Jazz-Ensemble kreist auch dieser Film nicht allein um seine Hauptfigur, sondern bietet allen Beteiligten genug Raum, das eigene Können zu zeigen. So ist jede Folge einer anderen Figur gewidmet, die aus dem Schatten ins Rampenlicht hineintritt, um ihr Solo zu spielen. Und diese Solos haben es in sich, denn hier öffnen sich nicht nur die Seelen der vermeintlichen Nebenfiguren, sondern auch andere Facetten der Geschichte, die um immer neue Perspektiven bereichert wird. Mit jeder Folge wächst einem eine weitere Figur ans Herz. Die verschiedenen Charaktere sind vollwertige Bandmitglieder der Serie, in der die Musik stets zum Rettungsanker und Bindeglied wird.

Wie ein paar Töne auf den Klaviertasten angespielt zur Melodie und schließlich zu einem stimmigen Arrangement zusammenwachsen – auch das kann man hier sehen, hören und fühlen. Dass die Figuren ebenfalls gerade durch ihre Unterschiede und Eigenwilligkeit einen gemeinsamen, narrativen Klang ergeben, macht die Qualität dieser gelungenen Serie aus, die den Jazz selbst zu ihrem innersten Erzählprinzip erhebt.

Info Die Serie ist bei Netflix zu sehen.

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