„München“ Film über das Münchener Abkommen 1938

Christian Schwochow wirft einen anderen Blick auf das historische Ereignis. Ulrich Matthes ist in der Rolle des Adolf Hitler zu erleben.

 Jannis Niewohner als Paul Hartman, August Diehl als Franz Sauer.

Jannis Niewohner als Paul Hartman, August Diehl als Franz Sauer.

Foto: Netflix

„Ich bin kein Uhrendieb“, sagt Hitler (Ulrich Matthes) und gibt dem jungen Übersetzer die geliehene Armbanduhr zurück. Der Führer beliebt zu scherzen. Schließlich hat er gerade mit dem Münchner Abkommen, das die Annexion des Sudetenlandes besiegelt, der Tschechoslowakei einen wichtigen Teil ihres Hoheitsgebietes gestohlen.

Am 29. September 1938 trafen sich die Regierungschefs von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien im Münchner Führerbau, um die sogenannte Sudetenkrise zu beenden. Hitler hatte mit dem Einmarsch in die Tschechoslowakei gedroht, wodurch Frankreich und Großbritannien als Verbündete in den Krieg hineingezogen werden sollten. Bei dem Treffen auf Initiative des britischen Premiers Neville Chamberlain wurde Deutschland das Sudetenland zugesprochen und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vorerst verhindert. Das Münchner Abkommen gilt in der Geschichtsschreibung als diplomatische Niederlage für Chamberlains Appeasement-Politik, denn nur ein Jahr später zeigte sich, dass Hitlers Expansionsbestrebungen sich durch internationale Verträge nicht aufhalten ließen.

In der Netflix-Produktion „München – Im Angesichts des Krieges“, die seit 6. Januar vereinzelt im Kino und ab 21.Januar bei dem Streamingdienst zu sehen ist, wirft Regisseur Christian Schwochow („Deutschstunde“) nun einen anderen Blick auf diese vermeintliche Fußnote der Weltkriegsgeschichte. Als Vorlage diente der Roman von Robert Harris, der die historischen Fakten mit einer fiktionalen Handlung anreicherte.

Im Zentrum stehen dabei der junge britische Diplomat Hugh Legat (George MacKay) und der deutsche Dolmetscher Paul von Hartmann (Jannis Niewöhner), die gemeinsam Anfang der dreißiger Jahre in Oxford studiert haben. Hugh ist mittlerweile zum Privatsekretär Chamberlains (Jeremy Irons) aufgestiegen, der als überzeugter Pazifist alles versucht, um einen Weltkrieg zu verhindern. Paul hat als glühender Nationalist im deutschen Außenministerium Karriere gemacht, erkennt aber mittlerweile die monströse Gefahr Hitlers und plant mit Komplizen in der Wehrmacht ein Komplott gegen den Führer.

Über seine Arbeitskollegin und Geliebte Helen Winter (Sandra Hüller) gelangt er an Unterlagen, welche die kriegerische Expansionspläne Hitlers belegen. Bei der Konferenz in München will er seinem ehemaligen Studienfreund das geheime Schreiben zuspielen und die Unterschrift Chamberlains unter das Abkommen verhindern.

Auf stimmige Weise verbindet Schwochow Thriller-Handlung und historische Faktizität miteinander. Obwohl die Geschichtsbücher nachweislich kein Happy End zulassen, gelingt es der deutsch-britischen Produktion, die an Originalschauplätzen in München gedreht wurde, die Spannung aufrecht zu erhalten. Schließlich erwischt man sich sogar bei der Hoffnung, dass Paul das Attentat auf den Führer gelingen möge, obwohl man genau weiß, dass sich nur ein Quentin Tarantino in „Inglourious Basterds“ (2009) traut, den „Führer“ einfach zu töten.

Aber neben dem dynamisch inszenierten Thriller-Plot ist vor allem auch Schwochows Blick auf die Figur Chamberlains interessant, den Jeremy Irons mit differenziertem Spiel verkörpert. Die Einordnung des britischen Premiers als politischer Schwächling wurde vor allem durch dessen Nachfolger und überzeugten Bellizisten Winston Churchill geprägt.

„München“ setzt dem Negativ-Image das Bild eines aufrechten Real-Politikers entgegen, der keineswegs naiv an die Wirksamkeit von Verträgen mit dem Kriegstreiber Hitler glaubte, aber mit dem Münchner Abkommen seinem Land ein entscheidendes Jahr mehr Zeit verschaffte, um sich auf den unausweichlichen Krieg vorzubereiten.

„München – Im Angesicht des Krieges“ (seit 6.1. vereinzelt im Kino, ab 21.1. bei Netflix), Regie: Christian Schwochow mit Jannis Niewöhner, George MacKay, Ulrich Matthes, 123 Min.

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