„Die Welt wird eine andere sein“ Der Extremismus der Liebe

Wie weit Geheimnisse und Verdrängung eine Liebe beeinflussen können, zeigt „Die Welt wird eine andere sein“ auf beeindruckende Weise

 Canan Kir (r.) als Asli und Roger Azar als Saeed.

Canan Kir (r.) als Asli und Roger Azar als Saeed.

Foto: dpa/Neue Visionen Filmverleih

Aslis und Saeeds Geschichte beginnt wie viele Beziehungen. Die Deutschtürkin lernt den Libanesen während des Medizinstudiums kennen. Ihre Liebe ist intensiv und gleichzeitig geprägt von Heimlichkeiten. Denn Aslis Mutter will ihre Älteste nicht mit einem Araber zusammen sehen. So verschweigt die Studentin, dass sie Saeed heiraten wird. Ihr zukünftiger Ehemann erwartet, seine Geheimnisse wahren zu können. Und die gibt es, wie sich schon bald zeigt, reichlich in seinem Leben.

Anne Zohra Berrached legt mit „Die Welt wird eine andere sein“ ihren inzwischen dritten Spielfilm vor. Die Regisseurin mit algerischen und deutschen Wurzeln arbeitet mit einer intensiven Bildsprache, sie ist immer nah dran an ihren Figuren und lässt gleichzeitig Raum für Unausgesprochenes. In ihrer vorangegangenen Regiearbeit „24 Wochen“ erzählte sie von einem Paar, das sich entscheiden muss, ob es ein schwerbehindertes Kind bekommen möchte oder nicht.

Auch in ihrem neuen Kinofilm steht die Beziehung zwischen zwei Menschen im Mittelpunkt und die Frage: Was weiß man eigentlich von seinem Partner, mit dem man Tisch und Bett teilt?

Immer öfter verschwindet Saeed und sagt Asli nicht, was er macht, wenn er sie wochen- und monatelang alleine lässt. Sie ahnt, dass irgendetwas mit ihrem Mann nicht stimmt. Er wirft sein Medizinstudium hin, zieht nach Hamburg in eine WG, um Flugzeugbau zu lernen. Seit er klein war, träumt er davon, Pilot zu werden. Die wohlhabende Familie im Libanon sah ihn jedoch lieber als Arzt. Aber in seiner neuen Heimat kam Saeed nie wirklich an. „Die Deutschen lachen nie“, sagt er beim ersten Kennenlernen zu Asli.

Die Anzeichen für seine spätere Radikalisierung, waren sie da schon zu erkennen? Asli verschließt sich vor der Wahrheit, verdrängt und hofft immer noch darauf, dass am Ende alles gut wird, selbst als ihr Mann mit seiner Tat schließlich die Welt aus den Angeln hebt.

Am 11. September jähren sich die Anschläge von New York und Washington zum 20. Mal. Die Figur des Saeed ist inspiriert von Ziad Jarrah, einen der Attentäter von 9/11. Seine Tat selbst ist aber nicht das Thema des Films, sondern vielmehr, was sie mit den Menschen macht, die ihn liebten, ihm vertrauten, die er verletzt und enttäuscht hat. Die Hauptdarsteller Canan Kir als Asli und Roger Azar als Saeed sind eine Entdeckung. Ihr Spiel ist so intensiv wie überzeugend.

Berrached hat im Libanon und mit Laiendarstellerin gedreht, um die Intensität ihres Dramas noch zu unterstreichen. „Die Welt wird eine andere sein“, ist eine Romeo-und-Julia-Geschichte, die ihre Kraft aus dem Clash der Kulturen zieht. Die strenge türkische Erziehung Aslis prallt auf den zuerst locker und frei wirkenden Saeed, der sich im Verlauf ihrer Ehe immer mehr von seiner Frau entfernt. Starkes deutsches Kino, das noch lange nachhallt.

Die Welt wird eine andere sein, BRD, Frankreich 2021 – Regie: Anne Zohra Berrached, mit Canan Kir, Roger Azar, 119 Min.

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