„Dear Evan Hansen“ Singen hilft hier auch nicht mehr

Ein Broadway-Musical liefert die Vorlage: „Dear Evan Hansen“ könnte ein toller Film über jugendliche Einsamkeit und Selbstzweifel sein. Die große Leinwand vermag diese Geschichte jedoch nicht zu füllen.

 Zoe Murphy (Kaitlyn Dever) und Evan Hansen (Ben Platt).

Zoe Murphy (Kaitlyn Dever) und Evan Hansen (Ben Platt).

Foto: dpa/Universal Pictures

Nicht jedes erfolgreiche Broadway-Musical ist für die große Leinwand geeignet. Was auf der Bühne als mitreißendes, musikalisches Live-Event funktioniert, kann unter dem Vergrößerungsglas eine Kinoadaption kläglich scheitern. Hierfür bietet die Verfilmung des Singspiels „Dear Evan Hansen”, das 2016 am Broadway seine Premiere feierte und mit sieben Tonys ausgezeichnet wurde, nun das beste Beispiel.

Erzählt wird die Geschichte des 17-jährigen Evan (Ben Platt), der an Depressionen und Angststörungen leidet, den Schulalltag nur mit Hilfe von Psychopharmaka übersteht und aus therapeutischen Gründen Briefe an sich selbst schreiben soll. Einer dieser Briefe gerät in die Hände eines Mitschülers, der Selbstmord begeht. Die Eltern des Jungen glauben darin den Abschiedsbrief an den ihnen bisher unbekannten Freund zu sehen.

Statt das Missverständnis auszuräumen, erfindet der kontaktgestörte Evan eine Freundschaftsverhältnis zum Verstorbenen, um dessen Familie zu trösten. Schließlich ist er schon lange heimlich in die Schwester des Mitschülers verliebt. Immer weiter baut er das Lügengebäude aus und wird mit einer fingierten Rede auf der schulischen Trauerfeier sogar zum Social-Media-Star.

„Dear Evan Hanson” könnte mit ein wenig mehr Mut und Analysevermögen ein Film über jugendliche Einsamkeit, Sehnsucht nach Anerkennung und die Wirkungskraft von gefälschten Emotionen werden. Aber unter der Regie von Stephen Chbosky werden die interessanten Ansätze zügig im menschelnden Pathos und schmalzigen Musikeinlagen ertränkt.

Ben Platt als Antihelden-Tenor wechselt zwar herzzerreißend zwischen Kopf- und Bruststimme, wirkt aber mit 27 Jahren trotz allen Make-Up-Bemühungen einfach zu alt für die Rolle. Einzig Julianne Moore in der bescheidenen Rolle der alleinerziehenden Mutter bringt einen Schimmer von emotionaler Glaubwürdigkeit ein, kann die Angelegenheit jedoch nicht vor den konzeptionellen Schwächen retten.

Dear Evan Hansen, Regie: Stephen Chbosky, mit Ben Platt, Amy Adams, Julianne Moore 137 Min., FSK 12

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