„Cruella“ Disneys widerspenstigste Heldin

Die Figur Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“ bekommt nun einen eigenen Film.

Emma Stone merkt man die Lust an ihrer Rolle an.

Emma Stone merkt man die Lust an ihrer Rolle an.

Foto: AP/Laurie Sparham

Als Nemesis im Disney-Klassiker „101 Dalmatiner“ trägt Cruella De Vil die teuflische Grausamkeit schon in ihrem englisch-italienischen Namen. Glenn Close spielte in der Live-Action-Version von 1996 die Schurkin als abgrundtief böse Welpenkillerin. Aus dem Pelz der süßen Dalmatiner-Babys wollte sich die fiese Modedesignerin einen Mantel nähen. „Wer macht so was?“, fragte sich damals empört eine ganze Kindergeneration und bekommt 25 Jahre später eine Antwort. Denn mit „Cruella“ widmet Disney+ nun der legendären Bösewicht-Figur einen eigenen, groß angelegten Kinofilm, der in Deutschland jedoch pandemiebedingt vorerst nur auf der hauseigenen Streaming-Plattform zu sehen ist.

Erst einmal wird mit dem kuscheligen Dalmatiner-Mythos aufgeräumt. Die schwarz gepunkteten Tiere sind hier nämlich echte Bluthunde, die der achtjährigen Estella hinterher jagen und deren Mutter die Klippe hinunter ins Meer stoßen. Ein traumatisches Erlebnis für das wilde Mädchen mit dem schwarz-weißen Haarschopf. Fortan schlägt sich Estella (Emma Stone) im London der 70er mit ihren Freunden Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser) als versierte Taschendiebin durch, bis sie sich in den Laden der legendären Modedesignerin Baroness von Hellmann (Emma Thompson) einschleust und dort schnell von der Putzhilfe zur Assistentin der Modezarin aufsteigt.

Düstere Geheimnisse werden gelüftet und führen dazu, dass Estella zur erbitterten Gegnerin ihrer Arbeitgeberin wird. Unter dem Namen Cruella gründet sie ihr eigenes Underground-Label und greift die Baroness in spektakulären Aktionen an. Ein Müllwagen fährt direkt auf den roten Teppich und kippt vor ihrer Widersacherin einen Berg Altkleider aus. Aus dem Inneren steigt feixend Cruella heraus. Als der Wagen wieder wegfährt, entpuppen sich die Lumpen effektvoll als meterlange Schleppe ihrer neuesten Abendkleid-Kreation. Im London der aufkommenden Punk-Rock-Ära wird Cruella als Enfant Terrible gefeiert – und von ihrer Rivalin mit aller Härte bekämpft.

Eine volle Dosis „Bad Girl“ verabreicht Disney seinem Publikum mit „Cruella“ und verabschiedet sich effektvoll vom konzerneigenen Dogma der unbedingten Familienfreundlichkeit. Regisseur Craig Gillespie hatte zuletzt in „I, Tonya“ sein Talent für widerspenstige Frauencharaktere bewiesen, die sich allen moralischen Kategorisierungen entziehen. In „Cruella“ weitet er diese differenzierte Herangehensweise auf zwei Protagonistinnen aus. Und diese Emma-Doppelspitze hat es in sich. Mit sichtbarem Genuss kostet Thompson den überbordenden Narzissmus ihrer despotischen Figur aus. Ihr gegenüber steht die fabelhafte Stone, die den rebellischen Zorn der Jugend freien Lauf lässt und mit jeder Faser ihres Körpers in der renitenten Rolle aufgeht.

Das veritable Frauenpower-Gefecht wird in einen stimmigen Genremix eingebettet: „Der Teufel trägt Prada“ gehört ebenso zu den Referenzen wie „Ocean‘s Eleven“, „The Dark Knight“ oder „Der Tod steht ihr gut“. Emotionale Tiefe, Action und visuelle Pracht stehen hier in einem synergetischen Verhältnis miteinander. Kostümdesignerin Jenny Beavan („Mad Max: Fury Road“) kann schon einmal Platz für ihren dritten Oscar im Regal freimachen. Aber auch der epische 70er-Jahre Soundtrack ist vom Allerfeinsten und rundet dieses pralle, cineastische Vergnügen gelungen ab.

Info „Cruella“ läuft bei Disney+.

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