So schön gruseln sich nur die Briten

"Ghost Stories" mit Martin Freeman ist ein Episoden-Horrorfilm mit Seele.

Großbritannien hat eine lange Tradition der Horror-Episodenfilme. Klassiker des Genres drehte etwa die Produktionsfirma Amicus Productions in den 1960er Jahren unter Titeln wie "Die Todeskarten des Dr. Schreck" oder "Der Foltergarten des Dr. Diabolo". Diese Filme erzählten oft mehrere Gruselgeschichten hintereinander und führten sie am Ende alle in einer übergreifenden Erzählung zusammen. Zwei Fans, das Autoren- und Regisseurduo Andy Nyman und Jeremy Dyson, bringen nun eine kongeniale Hommage an dieses Genre auf die Kinoleinwände: "Ghost Stories" war 2010 zunächst ein erfolgreiches Theaterstück.

Ko-Autor und -Regisseur Andy Nyman spielt im Film den wissenschaftsgläubigen Philip Goodman. Der hatte als Kind stark unter seinem religiösen Vater zu leiden, nun entlarvt er in seiner TV-Show paranormale Schwindler. Bis ihm sein totgeglaubtes Idol, ein einst ebenfalls geisterskeptischer Psychologe, drei Akten mit der Aufschrift "Erklären Sie die hier!" überreicht. So viel darf man vorwegnehmen: Zu behaupten, es gäbe keine Geister, wäre nicht die ganze Wahrheit.

Goodman interviewt Tony, der als Nachtwächter in einem ehemaligen Irrenhaus eine Erscheinung hatte. Er spricht mit Simon (Alex Lawther), der als Fahr-Anfänger im Wald mit Handy am Ohr den schlimmsten vorstellbaren Unfall baute; und er begegnet Mike (Martin Freeman), der als werdender Vater von Geistern eine Todesnachricht überbracht bekam. Dabei hat Goodman selbst immer wieder kleine Visionen, die am dünnen Firnis seiner kontrollierten Weltsicht kratzen.

"Ghost Stories" ist eine Geistererzählung alter britischer Schule mit einer alten Qualität: einem wirklich beseelten Stoff. Es bleibt nicht bei einer sensorisch überfordernden Aneinanderreihung von Schreckmomenten. Der Film erzählt menschliches Drama, das von schuldhafter Verstrickung handelt und echtes Mitleid erregt.

Das ist sehr durchdacht angelegt. Viele feine und mit Liebe gesetzte Details verknüpfen sich zu einer beklemmenden Geschichte von Menschen, die vor sich selbst nicht fliehen können.

Und es ist großartig gespielt. Alex Lawthers panische Mimik, während er das Unglaubliche erzählt, lässt an den Anblick eines entgleisenden Zuges denken. Martin Freeman ("Sherlock") wirkt als Geschäftsmann verkniffen und jovial zugleich, wie nur er das kann. "Ghost Stories" ist also gutes Genrekino, das man sich unbedingt ansehen sollte - am besten nicht alleine.

Ghost Stories, Großbritannien 2017 - Regie: Andy Nyman und Jeremy Dyson, mit Andy Nyman, Martin Freeman, Paul Whitehouse, Alex Lawther, 98 Min.

(dpa)
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