Film-Legende wird 75 Jahre alt Es ist nicht leicht, Robert Redford zu sein

Düsseldorf (RP). Der US-Schauspieler wird am Donnerstag 75 Jahre alt. Der blonde Frauenschwarm gehört zu den mythischen Gestalten des Kinos. Seine distanzierten Helden in Filmen wie "Jenseits von Afrika" lockten Millionen Deutsche ins Kino. Redford engagierte sich aber auch für den unabhängigen Film. Er gilt als Leitfigur des linken Hollywood.

Das bewegte Leben des Robert Redford
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Es war 1974, Robert Redford flanierte auf der Fifth Avenue in New York. Eine junge Frau erkannte den berühmtesten Filmstar der Welt, es gab in jenen Tagen keinen anderen, der eine solche Wirkung gehabt hätte. Sie trat vor ihn, entschuldigte sich, und sie fragte: "Sind Sie wirklich Robert Redford?"

Viel Blau, kein Grund

Redford sah sie aus diesen Augen an, in denen man viel Blau, aber keinen Grund erkennt, er wartete einen Moment, und wahrscheinlich hatte die Frau in jenen Sekunden das unbedingte Bedürfnis, dem Mann das blonde Haar aus der Stirn zu streichen. Aber dann unterbrach er ihre Tagträumerei und antwortete: "Nur wenn ich alleine bin."

Robert Redford feiert am 18. August seinen 75. Geburtstag, und jeder kann die Titel seiner großen Filme aufzählen — "Jenseits von Afrika", "Der Clou" und "Die Unbestechlichen". Oder "Die drei Tage des Condor", "Der elektrische Reiter" und "Ein unmoralisches Angebot". Aber kaum jemand vermag zu sagen, wie er tickt, wer er ist. Redford gehört zu den mythischen Gestalten des Kinos, er entstammt einer anderen Zeit, und er hat ein Geheimnis — das macht ihn attraktiv.

"So wie wir waren"

Man kann dieses Phänomen nur ermessen, wenn man sich noch einmal die Filme aus den Jahren 1973 bis '76 ansieht. Der Schönste ist "So wie wir waren": Redford spielt einen Studenten aus gutem Hause, und er verliebt sich in Barbra Streisand als kommunistisch bewegte Kommilitonin.

Streisand will dem Schnösel widerstehen, aber sie kann nicht, und als sie ihn in einem Café sitzen sieht, wechselt sie die Straßenseite, um sich selbst zu schützen. Redford ruft herüber: Komm her. Als sie endlich vor seinem Tisch steht, sagt er, er feiere gerade, und als sie fragt, was er zu feiern habe, rollte er seine Zunge über die Unterlippe und antwortet: "Dass ich dich über die Straße geholt habe." Von da an ist Streisand verloren, sie will den Mond mit Glasklar reinigen und den Olymp mit Silberpapier bekleben. Hingabe, Leidenschaft, Herz kaputt.

Poetischer Auftrieb für die Stille

Wenn Redford eines konnte, dann war das schauen, er gab der Stille poetischen Auftrieb, und wer nun meint, das sei ja nicht gerade viel, der unterschätzt diese Leistung und ihr Ergebnis auf der Leinwand. Redford ist ein Mimiker, kein Vollkontakt-Akteur wie etwa Robert De Niro, dessen Schauspiel-Superstar-Tics bisweilen nerven. Redford bereitet jeden Satz vor, indem er den Mund leicht öffnet, die Luft einsaugt, ein Auge zukneift und alsbald einen elementaren Satz spricht oder das Gesicht mit einem umwerfenden Lächeln aufreißt. Er redet nicht von Gefühlen, er lässt sie uns spüren.

Redford strahlt Gelassenheit aus, heitere Unbeeindruckbarkeit. Er hat etwas Spöttisches, das auf Lebensbildung schließen lässt, auf Erfahrung. US- Kritiker nannten diese Eigenart "fundamentale Einsamkeit", und das trifft es gut. Figuren wie der "Großen Gatsby" und Finch Hatton aus "Jenseits von Afrika" liegen ihm besonders: Liebende, die sich zunächst distanziert geben, deren Fassade allmählich bröckelt — und durch die Brüche leuchtet dann die Sehnsucht. In den Zwischenräumen von Redfords Gesten verbirgt sich stets Begehren, man will von ihm wissen: Was denkt er? Und: Wann bricht er aus?

"Hinter feindlichen Linien"

Redford war ein renitenter Jugendlicher. Als er 18 war, starb seine Mutter, an der er hing. Er soff, flog von der Schule, reiste nach Europa, malte und landete auf der Bühne. Sein Leinwand-Debüt gab er 1962 in "Hinter feindlichen Linien", aber kaum jemand sah diese und die folgenden Produktionen. Erst 1967 wurde er mit "Barfuß im Park" berühmt, zwei Jahre später war er durch den Erfolg der Western-Komödie "Zwei Banditen" ein Star.

Schon damals war er Hollywood nicht geheuer. Er mied die Parties, kaufte sich abseits in Utah in den Canyons Land, züchtete Pferde und baute ein Ökohaus. Er begründete in den 80er Jahren das "Sundance Filmfestival", das heute als Top-Adresse für unabhängiges Kino gilt, als Gegen-Hollywood. Quentin Tarantino, Robert Rodriguez und Steven Soderbergh begannen dort ihre Karrieren, und eigentlich kann man sagen, dass Redford das US-Independent-Kino erfand.

Vorläufer des "linken Hollywood"

Er war Vorläufer des "linken Hollywood", das heute Sean Penn, George Clooney und der von Redford früh geförderte Brad Pitt verkörpern. Er lebte bewusst, kritisierte die Regierung und trauerte dem ursprünglichen Amerika nach. In den Klatschmagazinen tauchte er selten auf, er war 27 Jahre mit Lola von Wangenen verheiratet, mit der er vier Kinder hat, das weiß man immerhin. Er war mit der Kollegin Sonia Braga liiert und heiratete 2009 die Deutsche Sibylle Szaggars.

So viel Anderssein erregt natürlich Argwohn. Sie erzählten sich in den Studios, dass Redford zu spät zum Dreh erscheine, dass er jede Szene nur einmal spiele. Dieser Redford! Dennoch wollten ihn alle, er lockte das Publikum an die Kassen, das dann im Saal vor Verzückung die Nägel kaute. Redford konnte aus feinsten Angeboten wählen, lehnte die Hauptrolle in "Die Reifeprüfung" ab, und später schlug er Offerten von Stanley Kubrick aus und den Auftritt als "Superman".

500.000 Dollar pro Film

Er verdiente in den 70er Jahren 500.000 Dollar mit jedem Film, er hatte Mitspracherecht bei der Auswahl der anderen Schauspieler, bekam Chauffeur, Maskenbildner und Kostümschneider, und wenn der Drehort weiter als 80 Meilen von seinem Wohnort entfernt lag, wurden ihm Lebenshaltungskosten in Höhe von 1000 Dollar die Woche erstattet.

Außerdem ließ er sich Gewinnbeteiligungen in die Verträge schreiben. Bei "Der Clou" sollte er 15 Prozent bekommen, aber sein Freund Paul Newman mochte nur mitspielen, wenn Redford sie ihm abtreten würde. Redford wollte Newman unbedingt und überschrieb ihm die Beteiligung, und als sich der Film zu einem der erfolgreichsten der 70er Jahre entwickelte und 160 Millionen Dollar einspielte, fluchte er: "Das ärgert mich mächtig."

Redford braucht gute Drehbücher

Er gab sich frei, aber er war doch abhängig von starken Drehbüchern, benötigte epische Stoffe, um brillieren zu können. In den frühen 70er Jahren beschäftigte Hollywood Romanautoren wie Truman Capote, William Golding und Dalton Trumbo. Sie konnten Geschichten aus dem Alltag erzählen, die so zeithaltig waren, dass sich automatisch eine politische Tiefenstruktur auftat. 1975 endete die Ära des alten Hollywood.

Mit dem Erfolg von "Der weiße Hai" (470 Millionen Dollar Einnahmen) begann das Zeitalter des Blockbuster-Kinos, dessen Prinzip es ist, wenige Filme mit viel Vermarktung zur gleichen Zeit laufen zu lassen. Aliens und Actionhelden eroberten die Leinwände. Redford wollte hingegen "ehrliches, unverdorbenes Kino" machen und nicht Effekte mit Glanzlack aneinanderkleben. Er wechselte ins Regiefach, bekam für sein Debüt "Eine ganz normale Familie" den Oscar.

Kein Liebling der Kritiker

Und stets geht es in seinen Regiearbeiten wie "Aus der Mitte entspringt ein Fluss" und "Quiz Show" um die Sehnsucht nach der alten Zeit, um den Verlust der Ordnung. Er gründete eine eigene Filmfirma und produzierte 1976 "Die Unbestechlichen", die Geschichte über die Aufklärung des "Watergate"-Skandals durch die Journalisten der "Washington Post", Bob Woodward und Carl Bernstein. Der Film wurde ein Erfolg, und Redford, der Woodward spielte, bekam zum letzten Mal gute Kritiken für seine schauspielerische Leistung.

Selbst über "Jenseits von Afrika" (1985), den Film, den Redford dominiert, für den er 6,5 Millionen Dollar Gage plus zehn Prozent Gewinnbeteiligung bekam, schrieb der "New Yorker": "Redford wirkt abwesend und verloren." Die Produktion spielte dennoch 250 Millionen Dollar ein.

"Es ist nicht leicht..."

In den 80er Jahren drehte er nur vier Filme, in den 90ern fünf. Seinen letzten großen Auftritt hatte er in "Ein unmoralisches Angebot" 1993. Der Film wurde mit einen Ergebnis von 260 Millionen Euro Redfords erfolgreichste Produktion.

Wer ist Robert Redford? "Ein Mann auf der Suche nach dem eigenen Platz im großen Weltgetriebe", sagte er jüngst. Als sicher gilt: Es ist nicht leicht, Robert Redford zu sein.

(Von Philipp Holstein)
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