Krieg der Sterne in der Krise Star Wars steht am Scheideweg

Düsseldorf · Als Disney im Jahr 2012 die Rechte an Star Wars ünernahm, lief zunächst alles gut. Doch mittlerweile ist die Kluft zwischen dem Konzern und den Fans größer geworden. Das größte popkulturelle Phänomen der Nachkriegszeit steckt in der Krise.

Mit „Das Erwachen der Macht“ erreichte der „Krieg der Sterne“ 2015 einen neuen Höhepunkt. Nun wird die Kluft zwischen Fans und Lucasfilm immer größer.

Mit „Das Erwachen der Macht“ erreichte der „Krieg der Sterne“ 2015 einen neuen Höhepunkt. Nun wird die Kluft zwischen Fans und Lucasfilm immer größer.

Foto: dpa, hjb sab

Es gab eine Zeit, da waren alle vereint: Frauen und Männer, Junge und Alte, Menschen aller Hautfarben und Konfessionen. Was sie verband, war die Liebe und Leidenschaft für „Star Wars“. Über Jahrzehnte hat dieses Band gehalten – und wurde die Begeisterung von einer Generation an die nächste weitergegeben. Mitte Dezember 2017 aber kam es zum Riss zwischen einem Teil der Fans und dem, was Disney+ aus dem „Krieg der Sterne“ gemacht hat: Am 14. Dezember 2017 startete mit „Die letzten Jedi“ der zweite Teil der neuen Trilogie im Kino – und stieß viele Fans vor den Kopf. Seitdem stürzt die größte Mythologie der Neuzeit unter der Führung der George-Lucas-Nachfolgerin und Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy immer tiefer in die Krise.

Der jüngste Film „Solo“ hat weltweit nur etwas mehr 385 Millionen US-Dollar eingespielt. Das ist so gut wie nichts für eine Filmreihe, die es gewohnt ist, sich in Ergebnissen jenseits von einer Milliarde Dollar zu bewegen. Und der US-Spielwarenhersteller Hasbro musste im Frühjahr 2018 zugeben, dass die Verkaufszahlen der Krieg-der-Sterne-Produkte die Erwartungen nicht erfüllt haben: Fans, die sonst bei den Merchandise-Produkten vom Schlüsselanhänger über Tassen und T-Shirts bis zu Figuren und Spielzeug alles rund um Star Wars haben wollen, griffen bei „Die letzten Jedi“ nicht mehr zu. Hasbro selbst schiebt das auf einen zu frühen Verkaufsbeginn bereits im September 2017 – drei Monate vor dem Kino-Start des Films. Aber im Jahr 2015 hatte man das bei „Das Erwachen der Macht“ nicht anders gehandhabt. Damals mit einem deutlich besseren Ergebnis: Nach Angaben der US-Handelsdaten-Analysten von Panjiva lagen die Merchandise-Warenlieferung in die Vereinigten Staaten für „Die letzten Jedi“ 56 Prozent unter denen von „Das Erwachen der Macht“ – und auch 47 Prozent unter denen des eigenständigen Star-Wars-Films „Rogue One“ im Jahr 2016.

Es gab mit der Pleite des Spielwaren-Kette Toys’R’Us zwar einen unerwarteten negativen Einfluss auf den Verkauf. Doch der alleine erklärt den deutlichen Rückgang nicht. Etwas läuft tatsächlich schief bei Disney. Und auf der Suche nach den Gründen, muss man zunächst verstehen, was Star Wars zu dem gemacht hat, was es heute ist.

Als 1977 der erste Film der Reihe ins Kino kam, war er revolutionär: Die damalige Tricktechnik bot etwas, was man bis dahin noch nie gesehen hatte. Mit der simpel anmutenden, mitreißenden Geschichte vom Farmersjungen, der zum Helden wird, konnte sich jeder identifizieren. Gleichzeitig war diese Story so facettenreich und voller Mysterien in Szene gesetzt worden, dass jeder Lücken in diesem Universum mit seiner Vorstellungskraft füllen konnte. Star Wars war nicht nur ein Film, sondern ein grandioser Spielplatz für die eigene Fantasie. George Lucas, der Schöpfer und Macher der Reihe, schien selbst Kind geblieben zu sein. Und er gab dem Publikum etwas, in dem jeder etwas Kindliches in sich wiederfinden konnte: die Begeisterung für ein Universum, in dem Vieles möglich war.

Vor allem aber ließ er Fans danach jeweils drei Jahre warten, bis die beiden Fortsetzungen ins Kino kamen. Die Filme wurden so zu ihren eigenen Events, auf die man lange gewartet hatte. Jede kleine Information wurde in der Wartezeit aufgesogen und zu einem Bild verknüpft, das die Filme dann wieder auseinanderrissen. Es war nicht alles gut, und es war nicht alles perfekt in den ersten drei Teilen zwischen 1977 und 1983. Aber das war nicht schlimm. Dafür war das Star-Wars-Universum zu fantastisch. Und selbst die drei Prequel-Filme zwischen 1999 und 2005, die nie an die erste Trilogie heranreichten, konnten das Feuer der Begeisterung nicht löschen.

„Die Letzen Jedi“ führte zum Bruch mit den Fans

Was ist also passiert, dass die Fans so wütend bis verstört sind? Was hat Disney falsch gemacht? Anfangs gar nichts: Zunächst trat der Regisseur und Co-Drehbuchautor J. J. Abrams in die Fußstapfen von George Lucas und bot den Fans 2015 mit „Das Erwachen der Macht“ das, wonach sie sich gesehnt hatten – und die Welle der Begeisterung nach zehn Jahren ohne Star Wars wuchs beständig. Danach aber kamen Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy und der neue Regisseur und Autor Rian Johnson aus dem Tritt. Egal, ob man „Die letzten Jedi“ gut oder schlecht findet, auf jeden Fall stellte der Film eine Zäsur dar. Lose Fäden aus „Das Erwachen der Macht“ wurden einfach abgeschnitten, der Mythos um die mitfühlenden Jedi und finsteren Sith hat man einfach in den Boden getreten und mit Figuren wie Luke Skywalker ging man alles andere als zimperlich um. Manche Fans mochten es, wie Rian Johnson alte Zöpfe abschnitt und die Mythologie durch etwas Neues ersetzte – das desillusionierter wirkte. Zudem machte er aus den weiblichen Figuren die Helden und Vorreiterinnen des Films, während die männlichen Akteure unsympathisch waren oder sich dumm anstellten. Es kam zum Bruch mit einem Großteil der Fans, die diesen Weg nicht mitgehen wollten und die sich betrogen fühlten. Das hätte Disney vielleicht noch in den Griff kriegen können. Schließlich waren viele Fans mit der zweiten Trilogie von George Lucas zwischen 1999 und 2005 ebenfalls unzufrieden. Einige hatten damals sogar seine Absetzung verlangt. Doch das ging damals unbeschadet an den Mythos vorbei.

Nur gibt es mittlerweile Facebook, Youtube und Twitter, über die sich die Enttäuschten Luft machten. Und es gibt den Letzten-Jedi-Regisseur Rian Johnson, der sich in den sozialen Netzwerken verteidigen musste – und dabei nicht immer diplomatische Worte wählte. Vielmehr reagierte er oft schnippisch bis beleidigt und hochnäsig. Das schaukelte sich immer weiter hoch. Auch weil ein kleiner Teil der Fans so ziemlich alles bei „Die letzten Jedi“ kritisierten – bis hin zu den starken weiblichen Charakteren und deren Herkunft. Waren die Anhänger unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Hautfarbe bislang vereint, stempelte das die Kritiker in den sozialen Netzwerken als chauvinistisch und rassistisch ab.

Erst recht als die Darstellerin Kelly Marie Tran (Rose Tico) dermaßen übel über Instagram beschimpft worden war, dass sie sich von dem sozialen Foto-Netzwerk abmeldete. Johnson explodierte dann im Juni auf Twitter und bezeichnete die aggressiven männllichen Fans als „Riesenbabys“. Davon wiederum fühlten sich alle angegriffen, und es wurde als Zeichen eines generell mangelnden Respekts gegenüber den Anhängern gewertet. Eine vernünftige Diskussion über „Die letzten Jedi“ scheint bis heute unmöglich. Sowohl mit Johnson als auch der Fans untereinander. Plötzlich gibt es nur Schwarz oder Weiß. Und darunter leidet der „Krieg der Sterne“.

Feindbilder Rian Johnson und Kathleen Kennedy

Zumal einige Kritiker längst ein anderes Ziel gefunden haben: die Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy, die diese Aufgabe von George Lucas übernommen hatte und als militante Feministin abgestempelt wird – die Star Wars missbraucht, um ihre fanatisch „linke“ Agenda der sozialen Gerechtigkeit zu verbreiten. Als Beweis müssen nicht nur die Filme herhalten, sondern ein bestimmtes Foto: Das zeigt sie im Kreis junger Frauen, die alle T-Shirts tragen mit dem Spruch „The Force is female“ – die Macht ist weiblich. Was so klar feministisch und nach „Krieg der Sterne“ klingt, ist indes etwas ganz anderes: eine Kampagne des Sportartikel-Herstellers Nike zur Vermarktung der „Air Force“-Schuhe für Frauen. Dennoch ist das Werbe-Foto für einige Fans der Beweis, dass Kathleen Kennedy „Star Wars“ zerstört und für ihre Zwecke benutzt – mit Rian Johnson als willfährigen Erfüllungsgehilfen. Das mündete dann im Frühjahr in einem Boykott-Aufruf: Niemand solle sich den Film „Solo“ ansehen, damit Kennedy endlich gefeuert werde. Tatsächlich war der jüngste Star-Wars-Teil ein Misserfolg. Es ist indes fraglich, ob das an dem unorganisierten Boykott von ein paar Frustierten liegt.

Die Querelen um den Dreh von „Solo“, die in der Entlassung der beiden Regisseure Phil Lord und Chris Miller endete, war nicht gerade positive PR für „Solo“. Dazu kam ein Kino-Start im Mai – kurz nach dem Mega-Blockbuster „Avengers: Infinity War“ und fast zeitgleich mit dem überraschenden Publikumsliebling „Deadpool 2“. Der Film wurde dazwischen geradezu zerrieben. Zudem startete er nur knapp sechs Monate nach „Die letzten Jedi“. Früher mussten Fans mehrere Jahre warten, bis Star Wars auf der Leinwand zu sehen war. Mittlerweile vergehen überspitzt gesagt nur noch ein paar Monate. Es ist nichts Besonderes mehr. Zudem sind einige Filme tatsächlich Teil der neuen Trilogie, andere wiederum sind eigenständig und spielen „nur“ im Star-Wars-Universum. Das kann für Menschen verwirrend sein, die der Reihe nicht so eng verbunden sind. Zumal es anders als bei der Marvel-Serie von Disney keinen zwingenden Grund gibt, alle Filme zu sehen – weil man sonst den großen Storybogen aus dem Blick verliert.

Der Misserfolg von „Solo“ ist ein deutliches Signal

Davon abgesehen ist „Solo“ zwar nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich mitreißend. Er erzählt die Vorgeschichte der Star-Wars-Ikone Han Solo. Doch die haben sich Fans seit 1977 längst selbst in ihrer Fantasie geschaffen. Dafür musste man nicht ins Kino gehen. Das hat Lucasfilm offenbar nun auch erkannt und zunächst alle Filme gestoppt, die Vorgeschichten erzählen. Das ist wiederum Wasser für die Mühlen der Kathleen-Kennedy-Kritiker, die nun ihre baldige Absetzung herbeischreiben oder in Youtube-Videos verkünden. Da ist aber der Wunsch wohl eher der Vater des Gedanken. Auch der Produzent Kevin Feige, der hinter Disneys Marvel-Erfolg steht, hatte unter anderem mit dem ersten Thor-Film oder „Captain America: The First Avenger“ mehrmals finanziell danebengegriffen – ohne dass der Mickey-Mouse-Konzern sich beirren ließ.

Auf der anderen Seite steht allerdings nicht nur der Misserfolg des Solo-Films, sondern auch das plötzlich lahmende Merchandise-Geschäft unter anderem mit Spielzeug – und die unzufriedenen Fans. Wie groß deren Anteil wirklich ist, kann derzeit niemand sagen. Das wird sich erst mit dem Ergebnis des letzten Teils der neuen Trilogie zeigen, der Ende 2019 ins Kino kommt. Aber die Unzufriedenen schlagen bei Youtube und in den sozialen Netzwerken mächtig Alarm und prägen so auch die öffentliche Wahrnehmung. Etwas, dass über Jahrzehnte so vielen Menschen Freude machte und ihre Fantasie anregte, ist auf einmal ein abstoßendes Schlachtfeld geworden.

Wird sich die Reihe davon erholen? Überraschend hat Lucasfilm auf der Comic Con in San Diego nun verkündet, dass die beliebte Animations-Reihe „The Clone Wars“ eine weitere Staffel erhalten wird – nachdem die Serie 2014 nach der Disney-Übernahme etwas abrupt abgesetzt wurde. Wir wissen nicht, ob es die Pläne schon seit einiger Zeit gibt. Schließlich wurden Fans nicht müde, eine Fortsetzung zu verlangen. Man kann es aber auch als eine ausgestreckte Hand von Kathleen Kennedy und Lucasfilm in Richtung der Unzufriedenen verstehen – als ein Schritt in Richtung einer Versöhnung. Die schwerste Aufgabe indes hat der Regisseur und Autor J. J. Abrams übernommen. Er darf sich nun auch um den letzten Teil der neuen Trilogie kümmern. Und es wird von ihm abhängen, ob Star Wars eine Zukunft hat und die Fans neuen Geschichten aus einer weit entfernten Galaxis vor langer, langer Zeit die Treue halten werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort