Webserie „Druck“ Flucht in die Realität

Die Webserie „Druck“ für 14- bis 20-Jährige ist nah am Lebensgefühl ihrer Zielgruppe – und greift aktuell auch Themen wie Corona auf.

 Nora ist die Hauptfigur der neuen Staffel von „Druck“.

Nora ist die Hauptfigur der neuen Staffel von „Druck“.

Foto: funk von ARD und ZDF - Bantry Bay / Carolin Saage/Bantry Bay / Carolin Saage

Montagmorgen auf dem Schulhof. Wie immer stehen alle um die Tischtennisplatte herum. Es geht um das letzte Treffen mit Josh, Noras Freund. „Und? Wie war dein Date?  Erzähl, erzähl, erzähl!“, rufen die Freundinnen. Nora redet: über das Wochenende, dass sie jetzt zusammen seien, dass Josh ihr gerade geschrieben habe. Alles normal. Irgendwie. Dann aber die Nachricht. Ava, eine der vier Freundinnen aus der Gruppe, hat eine E-Mail bekommen. In dem Museum, in dem sie zuletzt noch gewesen ist, sei einer der Besucher positiv auf das Coronavirus getestet worden. Plötzlich ist die Panik da. „Entspannt euch erstmal“, sagt Fatou. „Ich entspanne mich doch jetzt nicht“, sagt Mailin.

Vier Minuten und 32 Sekunden lang ist der Clip, der am 26. Oktober um 7.01 Uhr – ein Montagmorgen, wie auch in der Szene selbst – auf Youtube hochgeladen wurde. „Uff, das einzige Mal, wo es gut war, so früh aufzustehen“, schreibt jemand in den Kommentaren. „Druck am morgen vertreibt Kummer und Sorgen“, ein anderer. „Ich denke Mailin hat ihre Gründe, warum sie so überreagiert“, heißt es weiter.

Über 400 Kommentare sind es bisher, die sich im Internet unter dem Clip mit dem Namen „Andere Welt“ sammeln. Sie zeigen: Das Prinzip der Webserie „Druck“ – die Lebensrealität der Zuschauer mit der Handlung der Serie zu verweben – funktioniert schon ziemlich gut. Denn das Besondere der Serie ist, dass Inhalt und Charaktere zwar fiktiv sind, sich aber durch den Erscheinungsrhythmus der Folgen ganz genau an den Alltag der etwa 14- bis 20-jährigen Zielgruppe anpassen. Erleben die Figuren in der Serie etwas, wird das Erlebte als kurzes Video auf Youtube geteilt – ohne Vorwarnung und genau zum Zeitpunkt des Geschehens. Läuft die Hauptfigur Nora also gerade beim Sportunterricht Runden durch den Park, kommt der Clip am Vormittag. Immer am Ende der Woche fügen sich die einzelnen Clips dann wie Puzzleteile zu einer verlängerten Folge zusammen. Das ganze Puzzle bekommt jedoch nur, wer den fiktiven Charakteren auch auf Instagram folgt oder ihre Chats bei Telegram mitliest.

Die Serie läuft in der fünften Staffel. Bei den ersten vier Staffeln handelte es sich jedoch um die deutsche Adaption der norwegischen Jugendserie „Skam“, die in Norwegen große Erfolge feierte. In Deutschland setzte die Produktionsfirma Bantry Bay das Konzept für Funk (das Content-Netzwerk von ARD und ZDF) um. Während die ersten vier Staffeln die fünf Freundinnen Amira, Mia, Sam, Hanna und Kiki beim Erwachsenwerden begleitete, steht nun Kikis kleine Schwester Nora im Mittelpunkt. Man ist dabei, wie sie sich die Nägel rot lackieren lässt. Aber auch, wenn sie zuhause den Alkohol aus den Flaschen der alkoholkranken Mutter in die Spüle kippt und die dann sagt „Uns geht’s doch gut hier, oder Nori?“.

Warum also als junger Zuschauer flüchten in diese Realität, die der eigenen doch so ähnlich ist? Vielleicht weil es guttut, sich endlich mal mit seinen Sorgen verstanden zu fühlen. Weil ein geplatzter Abiball eben nur eine Kleinigkeit für jemanden ist, der diesen schon hinter hat.Und weil es vielleicht bei all dem Abstand halten auch mal wieder eine gute Abwechslung ist, sich jemandem richtig nahe fühlen zu können – auch wenn es nur die Hauptfigur der Lieblingsserie ist.

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