Kinohit "Ziemlich beste Freunde" Der Schutzteufel aus dem Ghetto

Berlin · In "Ziemlich beste Freunde" raufen sich ein gelähmter Adeliger und sein aus dem Pariser Ghetto kommender senegalesischer Pfleger zusammen. Das klingt entweder wie eine jener gutmenschlichen und durchsonnten Tragikomödien, die nach dem Oscar schielen - oder wie ein brutal realistisches Sozialdrama, das auf Filmfestivals Preise einheimst und dann im Arte-Spätprogramm läuft.

Ziemlich beste Freunde - Adel trifft Ghetto
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Jenseits des Rheins aber herrschen andere Gesetze, wie der Erfolg dieser französischen Komödie beweist. Über zwölf Millionen Franzosen haben sich bisher für diesen Feelgood-Film, der in über 50 Länder verkauft wurde, begeistert. Der Publikumszuspruch rückt das Werk in die Liga von "Die fabelhafte Welt der Amélie" und "Willkommen bei den Schtis" und ist erneut dazu angetan, hiesige Filmemacher und -förderer vor Scham in den Boden versinken zu lassen.

In dem auf einer wahren Geschichte basierenden Kassenhit wurde zwar einiges verändert und durch leicht klischeehafte Episoden ergänzt. Dennoch überzeugt der Film durch authentische Alltagsszenen - und durch einen unsentimentalen Humor, der Schweres leichter macht.

Unsentimentale Witze über einen Behinderten

Der schwerreiche Philippe sucht einen neuen Pfleger. Driss aber will von ihm nur eine Unterschrift, die bestätigt, dass er sich um die Stelle beworben hat, damit er weiter Sozialhilfe bekommt. Der dreiste Auftritt des schwarzen Hünen inmitten der Schlange biederer Bewerber, die sich mit besten Referenzen und gewählten Worten vorstellen, lässt Philippe aufhorchen. Denn der vom Hals abwärts gelähmte Krösus kann Mitleid nicht ausstehen. Er provoziert den Flegel zum Bleiben: Keine zwei Wochen würde er es aushalten, prophezeit er Driss. Der Taugenichts, gerade aus dem Knast entlassen und von seiner Tante aus der Sozialwohnung geworfen, beißt an.

Auch seine prächtige Unterkunft in Philippes noblem Pariser Stadtpalais, der Maserati im Hof, die Schar dienstbarer Geister, sowie Philippes sexy rothaarige Sekretärin überzeugen ihn zum Bleiben. Anfangs stellt sich der Macho, vom sarkastischen Philippe bespöttelt, extrem bockig an — Windeln wechseln geht gar nicht. Doch bald lachen die beiden Desperados nicht nur übereinander, sondern miteinander. Der Draufgänger "pimpt" Philippes Rollstuhl auf 20 km/h. Auch sorgt er dafür, dass Philippes letzte erogene Zone - die Ohrläppchen - nicht zu kurz kommt. Und er versucht, ihn mit einer Brieffreundin zu verkuppeln.

Wunderbare Freundschaft zwischen Banlieue und Adel

Ihr launiges Gekabbel entwickelt sich zu einer Männerkumpanei, von der beide - der eine körperlich, der andere sozial behindert - profitieren. Dabei meidet das erfahrene Regieduo Eric Toledano und Olivier Nakache vorhersehbare Katastrophen und peppt Standardsituationen mit witzigen Dialogen auf. Erfrischend ist besonders der Umgang des ehrlichen "Wilden" aus der "Banlieue" mit der Hochkultur des gebildeten Philippe. Driss lacht sich beim Opernbesuch über einen singenden Baum schier kaputt. In einem Klassikkonzert erkennt er Handy-Klingeltöne wieder. Und wenn sie beim Rasen von der Polizei erwischt werden, verfällt er gekonnt in die Behinderten-Mitleidsmasche.

Neben François Cluzet ("Kleine wahre Lügen") überzeugt besonders Omar Sy als Driss. Vor allem mit dieser Figur jedoch weicht der Film vom Buch ("Le Second Souffle") des echten Philippe Pozzo di Borgo ab, der nach einem Sportunfall beim Gleitschirmfliegen gelähmt wurde. Der aus einer Champagner-Dynastie stammende Aristokrat beschrieb seinen lebensrettenden "Schutzteufel", den Algerier Abdel, als anfangs "eitel, brutal, roh". Sonnyboy Driss jedoch verströmt von Anfang an einen derart unverfrorenen Charme, dass man ihm ziemlich alles verzeiht. Aber ein bisschen Märchen darf schon sein.

(APD)
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