Piratenspektakel geht in Fortsetzung Der dritte Fluch

Düsseldorf (RP). Nach ironischer Romanze und wilder Farce inszeniert Gore Verbinski im dritten Teil seiner Seeabenteuerfilme "Fluch der Karibik" eine Tragikomödie - ein brausendes Unwetter der Spektakelbilder und formloser Koloss, der unter dem eigenen Gewicht zerbricht.

Szenenbilder "Fluch der Karibik 3"
17 Bilder

Szenenbilder "Fluch der Karibik 3"

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Foto: Buena Vista

Wenn die Kaperfahrt scheitert, wartet der Galgen auf die Freibeuter. "Pirates Of The Caribbean - Am Ende der Welt" beginnt mit solch einem Ende. Die Kamera blickt im grauen Morgenlicht auf eine Henkersschlinge. Wir sehen das Hinauftreten der Verurteilten auf die Bühne des Todes, die Hand des Henkers, die einen Hebel umlegt, das Wegklappen der Falltüren, das Baumeln der Beine, aber wir sehen es mehr als einmal. Immer wieder wird die Hinrichtungsprozedur vollzogen, greifen die Elemente des Hängens wie Fertigungssegmente am Fließband ineinander.

Bemerkenswert am Auftakt des dritten Teils von Gore Verbinskis Piratenmär ist zweierlei. Zum einen wird hier etwas Schreckliches mit leichter Hand auf die Leinwand geworfen, ohne dass es ungehörig wirkt. "Pirates Of The Caribbean" ist hier der Erzählmagie der alten Abenteuer- und Piratenfilme ganz nahe, die ihm als Vorbild dienen. Zum anderen wird ein großes Thema eingeführt: Der Kampf zwischen Piraterie und Landmacht wird zu einem der Systeme und Weltbilder.

Faszinierend unberechenbarer Johnny Depp

"Fluch der Karibik" traf 2003 mit seiner Mischung aus handfester Halunkenromantik und schräger Ironie einen Nerv. Johnny Depp als faszinierend unberechenbarer Piratenkapitän Jack Sparrow, Orlando Bloom als aufrechter junger Abenteurer Will Turner und Keira Knightley als alle Konvention scheuende Gouverneurstochter Elizabeth Swann sowie die knisternde Risikoaura brüchiger Schiffe auf tosender See rissen das Publikum zurück in die Ausbruchsfantasien anderer Zeiten.

Weil die Filmemacher selbst nicht sicher waren, wie naiv sie Romantik ausleben und wie sarkastisch sie Träume brechen sollten, hatte "Fluch der Karibik" Probleme, ein stimmiges Ganzes zu werden. Die "Pirates Of The Caribbean - Fluch der Karibik 2" genannte Fortsetzung wagte es dann, der Ironie nachzugeben. Sie war eine gigantische Jahrmarktsmaschine, die ihre Figuren zur entlarvenden Karikatur verdrehte. Auch "Pirates Of The Caribbean - Am Rande der Welt" ist ein brausendes Unwetter der Spektakelbilder, ist mit fast drei Stunden Lauflänge auch ein formloser, unter dem eigenen Gewicht taumelnder Koloss.

Aber nun wird eine Architektur der Serie deutlich. Dem ironisierten romantischen Abenteuer folgte die wilde Farce. Der dritte Teil liefert nun die Tragikomödie. Die Piraten sind nicht mehr der gesetzlose, aber zugehörige Teil der Welt. Ihr Existenzrecht wird bestritten. Die Schiffe der britischen Flotte und Lord Cutler Beckett (Tom Hollander) sind wie der Galgen die Werkzeuge einer Epochenwende.

Fiese Untote, unzufriedene Halsabschneider

Das Immaterielle, erklärt Beckett dem untoten Piraten Davy Jones, sei fürderhin bedeutungslos. Seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Piraten nennt er im Original "good business", was man hier am besten mit Marktzwang übersetzt, seine Kriegsschiffe wirken neben den verwahrlosten Piratenbooten wie Fabriken neben Köhlerhütten.

Die Ausrottungskampagne gegen die Piraten bringt unser Unbehagen an der Globalisierung zum Ausdruck. Die Welt wird normiert, der Raum zum Dissens schwindet. Gore Verbinski und sein Team finden ein paar schöne Bilder für den Kampf der Systeme. Hinter dem wilden Krawall der Bilder schweift dunkler Pessimismus umher. Eine Ära grausamer Leidenschaftlichkeit soll durch eine Epoche mitleidlosen Kalküls abgelöst werden, aber so unerträglich letztere sein mag, so korrupt, zerfressen und schäbig wirkt die Welt der Leidenschaften, mit ihren fiesen Untoten und unzufriedenen Halsabschneidern.

Als die romantische Geschichte entwickelt werden muss, bricht der Film fast auseinander. Aber wenn die Leinwand in Bewegung gerät, Schiffe kentern, um mit einer meergrundwärts von den Tauen hängenden Mannschaft eine Wirklichkeit jenseits der unseren zu finden, gärt die Revolte. Dann beharrt das Kino auf seinem Recht, an die Möglichkeit einer Welt zu erinnern, die anders ist als alles, was uns als das einzig Wahre eingebläut worden ist.

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