Oliver Stones "World Trade Center" Der 11. September in Nahaufnahme

Düsseldorf (RP). Oliver Stone, Regisseur unter anderem von "Platoon", hat sich an die erste große Hollywood-Produktion über den Terrorangriff vom 11. September gewagt. Sein neuer Kinofilm "World Trade Center" zeigt den Anschlag in New York als unpolitisches Ereignis. Am Mittwoch ist der Film in den Vereinigten Staaten angelaufen.

 Auf Trümmern: Dreharbeiten zu Oliver Stones Film "World Trade Center".

Auf Trümmern: Dreharbeiten zu Oliver Stones Film "World Trade Center".

Foto: UIP

Im Film beginnt der 11. September mit einem Moment größter familiärer Intimität. Ein Wecker klingelt im Morgengrauen, ein Familienvater steht auf, kleidet sich an, schaut noch einmal in die Zimmer seiner Kinder. Die liegen schlafend in ihren zerwühlten Betten, hineingekuschelt in süße Ahnungslosigkeit.

 Nicolas Cage spielt einen verschütteten Polizisten.

Nicolas Cage spielt einen verschütteten Polizisten.

Foto: UIP

Wenige Stunden später läuft ihr Vater, der Polizist John McLoughlin (Nicolas Cage) mitten hinein in das Chaos nach dem Anschlag auf den ersten Zwillingsturm. Genau wie Will Jimeno, ein Freiwilliger aus seiner Einheit. Doch die beiden Polizisten kommen nicht weit. Als das World Trade Center zusammenstürzt, werden sie unter den Betontrümmern begraben, der Überlebenskampf zweier Helden beginnt.

In der ersten großen Hollywood-Produktion über den Terrorangriff vom 11. September konzentriert sich Regisseur Oliver Stone ganz auf das Schicksal einfacher Menschen. Er zeigt, wie Terror jäh in ziviles Leben einbricht, wie die Frauen der verschütteten Polizisten um Hoffnung ringen, zeigt die sprachlose Angst ihrer Kinder. Der Kontext des Anschlags bleibt völlig ausgeblendet. Stone hat also einen gänzlich unpolitischen Film gedreht und erhält dafür in den USA vor allem von Konservativen Anerkennung. Schließlich hatte man vom Regisseur amerikakritischer Filme wie dem Vietnam-Epos "Platoon" oder der brutalen Mediensatire "Natural Born Killers" so viel Zurückhaltung nicht erwartet.

Harald Welzer, Sozialpsychologe am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen, wundert die politische Abstinenz dagegen kaum. "Die Ereignisse vom 11. September sind noch so lebendig, der Schrecken noch so vital, dass Oliver Stone kaum eine andere Wahl hatte, als die Geschichte herunterzubrechen auf heldenfähige Figuren." Noch sei die Zeit nicht reif, um die Ereignisse von einem distanzierten Betrachterstandpunkt aus gelassen zu analysieren.

Eine Kamerafahrt ins All genügt nicht

Stattdessen zwingt Stone seine Landsleute, sich die realen Schrecken eines Terrorangriffs im Detail anzusehen. Gekonnt schaltet er den Überlebenskampf der Polizisten in den grauen Trümmern parallel zur heimeligen Welt ihrer Familien, spielt zum perfekten Rhythmus aus Mitleiden und Mitbangen auf der Gefühlsklaviatur der Zuschauer. Doch er gönnt ihnen auch ein geläutertes Erwachen aus den Schrecken. Stone hat also klassische Regeln der Katharsis befolgt, sich das Politische verkniffen, ganz wie seine Verleihfirma, die Paramount Pictures, es verlangt hat.

Doch wie unpolitisch kann ein Film über ein so politisches Ereignis sein? Für die Zuschauer in New York mag es die richtige Haltung sein, sich auf das Leid der Opfer zu konzentrieren. So beginnt eine Gesellschaft im Film zu trauern. Die nicht unmittelbar Betroffenen hingegen beschleicht mit jeder Filmminute mehr das Gefühl, dass eine einzige Kamerafahrt hinaus aus den Trümmern hinauf in den Himmel bis zu einem Satelliten, der auf die Erde hinabblickt, als Andeutung eines größeren Zusammenhangs nicht genügt. Stone feiert Mut, Liebe, Glaube als jene Werte, auf die sich Amerika auch in größter Not verlassen kann. Das verschafft den von Terrorangst Verunsicherten Erleichterung, doch wirkt diese Lösung mehr wie eine hilflose Beschwörung.

Der 11. September war von Anfang an ein Medienereignis. Mit den ikonischen Realbildern der brennenden Zwillingstürme konkurriert Oliver Stones Film. Darum zeigt er nun, was in der Berichterstattung nicht zu sehen war, die Geschichte der Menschen unter den Trümmern. Und wie um die Distanz zur Realität zu verringern, betont er den dokumentarischen Charakter seines Werks. Stone erzählt eine wahre Geschichte, hat die Polizisten interviewt und sich genau an ihre Berichte gehalten.

"Diese Taktik, Betroffenheit zu erzeugen, setzt sich immer mehr durch", sagt Harald Welzer. "Spielberg hat es mit ,Schindlers Liste' vorgemacht, hat Zeitzeugen interviewt, an Originalschauplätzen gedreht, um größtmögliche Authentizität zu erreichen." Stones Nahaufnahmen einer Katastrophe ist eine Bestandsaufnahme. eine Auseinandersetzung mit dem Terrorakt muss erst noch folgen.

"World Trade Center" kommt am 28.9. in die deutschen Kinos.

(Rheinische Post)
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