"Das Pubertier" im Kino Ich bin nicht irre, ich bin Vater

Düsseldorf · Wenn Kinder in die Pubertät kommen, verändert sich das Familienleben. Aber es gibt auch schöne und lustige Momente, wie der Film "Das Pubertier" zeigt. Es ist die stellenweise charmante Verfilmung des Bestsellers von Jan Weiler. Weniger Klamauk hätte ihr indes gut getan.

"Das Pubertier" im Kino: Ich bin nicht irre, ich bin Vater
Foto: dpa, kde

Es gibt viele schöne und wahrhaftige Stellen in diesem Film, jene etwa, in der Vater und Mutter im Bett liegen. Er liest Kants "Kritik der reinen Vernunft", sie blättert im Aufklärungsbuch "Make Love", und als sie die Stelle über das Küssen vorliest, legt er sehr angeregt zuhörend sein Buch weg und nimmt die Brille ab. Sie hört auf zu lesen und schaut, wie Eltern zweier Kinder nur in bestimmten Momenten schauen, dann nimmt auch sie die Brille ab, und alles, was die beiden nun tun, ist zwar total aufgeklärt, aber völlig wider jede Vernunft. Es dauert denn auch nicht lange, bis die Tochter hereinplatzt und zu heulen anfängt, weil sie nicht schlafen kann.

"Das Pubertier" heißt der neue Film von Leander Haußmann, und zugrunde liegt ihm der liebenswerte Bestseller von Jan Weiler. Darin geht es um den Tag, an dem sich jede Vaterschaft verändert, um den Beginn der Pubertät der Tochter nämlich. Weiler beschreibt das in vielen kleinen Erzählungen, jede davon ist ziemlich lustig und mitfühlend. Die besten Stellen des Films sind ebenso herzlich. Jan Josef Liefers spielt den Vater, der Journalist ist und nun der Kinder wegen daheim bleibt und nebenbei an seinem Roman arbeiten möchte. Einmal setzt er sich zum Schreiben nach draußen, die Kinder sind in der Schule, endlich Ruhe, aber er hat den Computer noch nicht aufgeklappt, da nickt er weg. Elternschaft macht müde.

Heike Makatsch ist die sanftmütige und leise-weise Mutter, die ihrem Beruf nachgeht, und manchmal gelingt es den beiden, Familienleben nicht bloß abzubilden, sondern zu dokumentieren. Am Morgen ihres 14. Geburtstages etwa kommt die Tochter die Treppe heruntergestürmt, sie hat sich ein iPhone gewünscht, und jetzt ist sie sicher, dass sie es bekommt. Der Vater überreicht ihr indes bloß Karten für "Schwanensee", zwei Stück sogar, denn er will sie begleiten. Danke, sagt sie, man hört den Kloß in ihrem Hals. Dann sagt die Mutter, dass der Vater den Sadismus nun sein lassen solle. Die Tochter bekommt das iPhone, sie telefoniert den ganzen Tag lang, und abends im Bad sagt sie zu ihrer Freundin am anderen Ende der Leitung diesen großen Satz: "Ich putze jetzt Zähne, du auch?"

Harriet Herbig-Matten spielt die pubertierende Tochter, ihr kleiner Bruder kommt nur am Rande vor, was aber nicht schlimm ist, denn Thema des Films sind ja die Launen der Pubertät. Die wurden charmant eingefangen, das Problem im Drehbuch sind indes die übrigen Erwachsenen — genauer: die Freunde der Eltern. Weil die Buchvorlage wie eine Sketchparade funktioniert, hat Haußmann dem Film eine durchgängige Erzählung zu geben versucht, deren Höhepunkt die Geburtstagsfeier der Tochter bildet. Diese Party ist der Punkt, an dem der Film bloß noch Klamauk ist. Freunde der Eltern bringen Gras mit, sie rauchen und wundern sich darüber, dass die Jugendlichen heutzutage keine laute Musik mehr hören. Die Erwachsenen tanzen besoffen durchs Haus, und wenn Schauspieler in deutschen Komödien so tun müssen, als seien sie besoffen oder bekifft, ist alles zu spät. Das Ganze eskaliert denn auch auf allerplumpeste und -anstrengendste Weise und endet auf einem Polizeirevier, und auch dort kennt die Überjuxung kein Ende.

Diese Ausreißer sind völlig unnötig, denn der Film ist großartig ausgestattet, bis ins Detail wird das Leben mit Kindern nachgebildet. Die Dialoge haben Timing, etwa wenn der Vater meint, er sei besonders nah dran an der Jugend, weil er ihre Sprache spricht. "2004 hat angerufen, sie wollen ihr Wörterbuch zurück", entgegnet die Tochter da. Solche Szenen sind toll, weil man sich darin wiedererkennen kann, weil man sieht, dass es anderen ebenso geht — geteiltes Leid ist halbes Leid.

So sollte man sich an den gelungenen Szenen dieser Produktion erfreuen. "Ich habe dich so lieb, dass ich dich bis Pflegestufe drei begleiten werde", sagt die Tochter. Der Vater ist tief gerührt und freut sich, obwohl die Tochter gleich danach zum Austauschjahr in die USA aufbricht und ihr Versprechen bald vergessen haben wird. "Ich bin nicht irre", sagt Jan Josef Liefers, "ich bin Vater."

Das Pubertier, Deutschland 2017 — Regie: Leander Haußmann, mit Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Detlev Buck, Justus von Dohnányi, FSK ab 6, 91 Min.

(hols)
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