Dokumentarfilm "Dancing in Jaffa" Tanz statt Kampf zwischen Israel und Palästina

München · Alles Walzer, alles friedlich? Wenn es so einfach wäre! Aber wenigstens im Kleinen kann Tanzen die Welt verbessern, glaubt Tanzweltmeister Pierre Dulaine. In Israel hat er jüdischen und palästinensischen Kindern deshalb gemeinsam Tanzunterricht erteilt.

Szenen aus "Dancing in Jaffa"
12 Bilder

Szenen aus "Dancing in Jaffa"

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Es ist eine galante Welt im Ballsaal: "Darf ich um diesen Tanz bitten?" Wer sich hier die Hände reicht, muss miteinander auskommen, sonst endet alles in peinlichem Gestolper. Die Belohnung: Harmonie, und sei es nur für den Moment eines Liedes. Pierre Dulaine glaubt fest an die Kraft des Tanzes. Musik und Bewegung können Gräben überwinden, ist der vierfache Weltmeister im Gesellschaftstanz überzeugt. Deshalb hat er sein Projekt "Dancing Classrooms", Tanzende Klassenzimmer, aus den USA nach Israel gebracht und palästinensische und jüdische Schüler gemeinsam unterrichtet. Der Dokumentarfilm "Dancing in Jaffa" (Kinostart 9. Januar) von Hilla Medala hat ihn und seine Tanzpartnerin Yvonne Marceau dabei begleitet.

Dass es nicht leicht werden würde, war Dulaine von Anfang an klar. "Ich bitte sie darum, mit dem Feind zu tanzen", sagt er im Film. Alle sind skeptisch. Und muslimische Eltern sorgen sich auch um die Moral, jenseits aller Religionen. Ein Junge und ein Mädchen an der Schwelle zur Pubertät, die sich an den Händen fassen und zur Musik bewegen? "Aus der Sicht des Islam ist es Jungen und Mädchen nicht erlaubt, zusammen zu tanzen", bringt es eine Mutter bei einem Elternabend auf den Punkt. Und auch ein jüdisches Mädchen sorgt sich: "Wenn mein Vater mich mit einem Araber sieht, tötet er mich", erzählt sie ihren Freundinnen.

Selbstbewusstsein und Stolz vermitteln

Doch Pierre Dulaine hält das nicht ab. Der impulsive Künstler ist routinierter Turniertänzer. Reichen Sprösslingen der New Yorker Upper Class brachte er ebenso das Tanzen bei wie Kindern aus schwierigen Verhältnissen, die er auch über seine Dancing Classrooms schulte. Für ihn ein Weg, Schwachen und Außenseitern Selbstbewusstsein und Stolz zu vermitteln. Zehn Wochen lang zwei Mal pro Woche Unterricht - auch in den übrigen Fächern dreht sich in dieser Zeit möglichst viel um den Tanz. Und am Ende ein Turnier, bei dem alle zeigen können, was sie gelernt haben. Ein erfolgreiches Projekt, dass es inzwischen in den USA, der Schweiz, Jordanien oder Kanada gibt - nachgespielt in dem Kinofilm "Dance!" (2006) mit Antonio Banderas als Pierre Dulaine.

Bei "Dancing in Jaffa" ist es zum Beispiel die kleine Noor, die im Laufe des Films enorme Fortschritte macht. Anfangs hat sie Probleme. Die Mutter: eine zum Islam konvertierte Jüdin. Der Vater: ein Palästinenser. Tot. Das Mädchen schottet sich bockig, gewalttätig, verschlossen von allen ab. Doch im Laufe der Tanzstunden ein Wunder: Noor blüht auf. Der Blick über den Tellerrand tut ihr gut, nicht zuletzt die Freundschaft mit dem jüdischen Mädchen Lois. Und auch für Alaa ist der Tanz eine Entdeckung, ein Kontrast zu seinem ärmlichen Leben zu Hause. Und dann ist da noch die Politik: Israel, Palästina, Gaza-Streifen. Araber, Juden, Christen. Und im Tanzsaal Kinder mit neun oder zehn Jahren, die nach einigen Startschwierigkeiten ein Wunsch eint, jenseits aller Unterschiede: miteinander etwas Schönes, Harmonisches zu schaffen, gemeinsam im Takt zu bleiben.

"Einen Jungen und ein Mädchen in diesem Alter zum Tanzen zu bringen, ist immer eine Herausforderung", sagt Dulaine. Das sind auch die komischen Seiten des Films, wenn sie sich betont lässig gegenüber stehen und jenseits aller Moral und Religion entsetzt sind, sich anfassen zu müssen. Erscheint doch in diesem Alter das andere Geschlecht mehr als suspekt. Mädchen? Iiiihhh. Und umgekehrt genauso.

Vertrauen nötig gewesen

Hier sei Vertrauen nötig gewesen, bei Kindern wie bei Eltern, erklärt der 69-Jährige Dulaine der Nachrichtenagentur dpa. Vertrauen, dass er durch seine Herkunft erlangen konnte, wurde er doch 1944 in Jaffa geboren, damals noch eine palästinensische Stadt, heute in Israel nahe der Hauptstadt Tel Aviv. Der Vater protestantischer Ire, die Mutter katholische Palästinenserin. Als Dulaine vier Jahre alt war, zog die Familie über Umwege nach Großbritannien, wo Dulaines Tanzkarriere begann. Seit 1972 lebt er in New York.

Dulaine konnte also die Hemmungen meist überwinden, wie der Film zeigt. Auch das Verständnis für die gegenseitige Kultur wurde geweckt, war es für manche doch die erste Begegnung zwischen Juden und Palästinensern. Umso überraschender die Entdeckung, dass der Andere auch nett ist, Träume hat und sich ein Leben in Frieden und Freiheit, ohne Kampf wünscht. "Erst habt ihr mich ausgelacht, dann wurden wir Freunde", formuliert es eines der Kinder im Film.

Mit Tanz und Musik den großen Nahost-Konflikt überwinden? Zu schön, um wahr zu sein. Doch Dulaine glaubt an die kleinen Schritte, die einige wenige Menschen umdenken lassen: "Ich wollte, dass sich die Kinder gegenseitig respektieren, dass sie selbstbewusst werden und dass sie erfahren, dass sie eine Wahl haben", erklärt er. "Ich kann nur hoffen, das dass ein Same ist, den wir ausstreuen."

(dpa)
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