Interview mit Schauspielerin aus dem Doku-Film "Die Spielwütigen" Constanze Becker ist von der Spielwut befallen

Düsseldorf/Berlin (rpo). Im Film "Die Spielwütigen" hatte Constanze Becker das Image der ernsten Musterschülerin. Das passte ihr nicht immer. Am Düsseldorfer Schauspielhaus beweist das talentierte Fräulein Becker seit Herbst 2003, wie wandelbar sie wirklich ist. Im Gespräch mit RP Online spricht sie über Dreharbeiten, Drill und Düsseldorf.

Szenenbilder "Die Spielwütigen"
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Foto: Boxfish-Films/ Journal Film Klaus Volkenborn KG

<P>Düsseldorf/Berlin (rpo). Im Film "Die Spielwütigen" hatte Constanze Becker das Image der ernsten Musterschülerin. Das passte ihr nicht immer. Am Düsseldorfer Schauspielhaus beweist das talentierte Fräulein Becker seit Herbst 2003, wie wandelbar sie wirklich ist. Im Gespräch mit RP Online spricht sie über Dreharbeiten, Drill und Düsseldorf.

rpo: Die Spielwut ist Ihnen im Film deutlich anzusehen. Woher kommt die?
Becker: Mit zwölf Jahren habe ich in Hamburg mein erstes Theaterstück gesehen, "The Black Rider" von Robert Wilson. Danach war für mich klar: Das will ich auch machen! Sieben Jahre lang habe ich dann in Lübeck, meiner Heimatstadt, gesessen und mich zu Tode gelangweilt. Bis ich nach dem Abi endlich zum Vorsprechen nach Berlin gehen konnte.

Der Film dokumentiert sieben Jahre Ihres Lebens. Was für ein Gefühl ist das, derart intime Momente den Augen fremder Menschen preiszugeben?
Ein sehr seltsames Gefühl! Bei der Premiere in Berlin war mir etwas mulmig zumute. Plötzlich reagierte da ein ganzer Kinosaal auf meine Person und lachte über Dinge, die ich teilweise vor vielen Jahren gesagt habe. Natürlich geht einem das viel näher, wenn es sich um das eigene Leben handelt, dass da auf der Leinwand gezeigt wird.

Wie haben Sie reagiert, als Andres Veiel Ihnen 1996 anbot, in seiner Dokumentation mitzumachen?
Ich war ganz hysterisch vor Begeisterung, habe sofort zugesagt. Man stelle sich vor: Ich kam als 18-Jährige aus einer Kleinstadt nach Berlin, was sowieso schon aufregend genug war, und dann quatschte mich auch noch ein Regisseur an, dass er einen Film über mich drehen will. Verrückt!

Wie muss man sich das Vorsprechen an einer Schauspielschule vorstellen? Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Ich habe meine Rollen alleine meinem winzigen Kinderzimmer einstudiert (lacht). Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie man sich auf einer Bühne präsentieren muss. Beim Vorsprechen habe ich mich einfach hingestellt und meinen Text losgeschmettert. Es hat mich völlig iritiert, dass dabei ständig die Dozenten dazwischenreden, das sieht man im Film auch.

Die Lehrmethoden der Dozenten an der Schauspielschule wirken manchmal urkomisch und sorgten beim Premierenpublikum für brüllendes Gelächter. Stört Sie das?
Nein, ich kann mir gut vorstellen, dass Schauspieler und ihre Arbeit auf Außenstehende manchmal völlig absurd wirken. Bei Publikumsgesprächen im Theater werde ich immer wieder gefragt, was wir eigentlich den ganzen Tag machen und warum wir so viel proben müssen.

Kommen Sie sich bei manchen Proben selber lächerlich vor?
Nein, für mich bedeuten Proben harte Arbeit. Wenn ich zum Beispiel einen anderen Darsteller küssen soll, und der Regisseur sagt, dass ich dabei nicht glaubhaft wirke, dann ist das für mich eine ernste Angelegenheit und gar nicht lustig. Ich kann aber verstehen, dass ein Zuschauer solche Kussszenen von außen betrachtet sehr komisch findet.

Hatten Sie Angst, durch den Film zur Lachnummer zu werden?
Ich habe kein Problem damit, dass sich die Leute über uns amüsieren. Viel mehr stört mich, dass ich oft gefragt werde, warum ich im Film so ernst wirke. Ich bin eigentlich ganz anders, aber Andres Veiel hatte mir nun mal den Part der "Ernsthaften" zugeschrieben und dementsprechende Episoden aus meinem Leben ausgewählt.

Wie viel Einblick hatte Andres Veiel wirklich in Ihr Leben?
Grundsätzlich liegt das Bild, das er von mir zeigt, recht nahe an der Wahrheit. Zu Beginn der Ausbildung hat Andres sehr viel gefilmt, war überall dabei. Im Laufe der Jahre wurde das aber immer weniger. Wir haben uns dann nur noch einmal im Jahr getroffen, und ich musste rückblickend erzählen, was in den vergangenen Monaten passiert war. Dadurch hat Andres nicht mehr richtig an meinem Leben teilgenommen. Das war ein bisschen schade, verfälschte das Bild.

Wie sind Ihre Mitschüler mit den Dreharbeiten umgegangen?
Das war eine sehr heikle Situation. Andres hatte ja auch andere Leute aus unserem Jahrgang gecastet, sich dann aber für Prod, Karina, Steffi und mich entschieden. Das hat für Spannungen gesorgt. Verständlich, dass gerade diese Leute empfindlich reagiert haben, wenn Andres mit der Kamera kam und nicht sie, sondern wir gefilmt wurden.

Und wie haben die Lehrer auf den Film reagiert?
Einige Dozenten haben das Projekt sehr unterstützt, andere haben sich hingegen ganz verweigert und wollten nicht gefilmt werden. Besonders, wenn einer von uns vieren in einer Krisensituation war, warf das automatisch ein schlechtes Licht auf die Dozenten. Damit wendet sich der Film auch gegen die Institution der Ernst Busch Schule. Natürlich war das nicht im Sinne der Dozenten.

Was ist Ihre persönliche Meinung über Ihre ehemaligen Lehrer?
Wie man im Film sehen kann, hatte ich einen ganz besonderen Freund, diesen Lehrer mit Zopf (lacht). Der hat mir nach sechs Monaten gesagt, dass ich für die Bühne ungeeignet bin. Ich verstehe bis heute nicht, wie man seine pädagogische Verantwortung so missbrauchen kann. Dieser Mann hat so viele Leute verunsichert und ihnen die Lust am Spielen genommen.

Heißt das, Sie hätten sich Ihre Ausbildung anders gewünscht?
Ich kenne kein Patentrezept für die perfekte Schauspielschule. Ein gewisses Maß an Disziplin und Drill und auch die Ehrfurcht vor Dozenten und dem Beruf des Schauspielers finde ich nicht verkehrt. Ich glaube, dass wir auf das Theaterleben sehr gut vorbereitet wurden. Es nützt ja nichts, wenn man auf eine Schule geht, an der sich alle lieb haben, um dann schockiert festzustellen, dass die Realität am Theater ganz anders ist.

Sie sind nun am Düsseldorfer Schauspielhaus. Wie kam es dazu?
Durch Zufall! Ein Mitschüler wollte sich in Düsseldorf vorstellen, ich sollte nur seine Probenpartnerin sein. Doch beim Vorspielen wurde mir prompt ein Vertrag angeboten. Allerdings hatte ich mich schon in Leipzig verpflichtet und bin erst zwei Jahre später auf das Angebot zurück gekommen — und bin nun sehr gerne in Düsseldorf.

Was gefällt Ihnen hier besonders?
Das Publikum ist wahnsinnig interessiert, beteiligt sich an Diskussionen und zeigt Emotionen. Die Leute gehen hier viel öfter ins Theater, als ich es aus Leipzig kannte. Im Ruhrgebiet hat man so viele kulturelle Möglichkeiten. Man kann nach Bochum, Dortmund oder viele andere Städte fahren und sich dort mal die Schauspielhäuser anschauen. Das weitet den Horizont und sorgt für Austausch.

Wie sieht die Zukunft aus? Wollen Sie zum Film?
Natürlich sind Dreharbeiten eine spannende Abwechslung, aber ich bin eigentlich ein Theatermensch. Solange man mich in Düsseldorf haben will, bleibe ich erstmal hier. Ich bin ein Ensembletier und damit sehr glücklich.

Von Dörte Langwald

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