Jetzt im Kino Gefangen in der "Colonia Dignidad"

Düsseldorf · "Harry Potter"-Star Emma Watson und Daniel Brühl kämpfen sich in diesem auf wahren Tatsachen beruhenden Film aus der berüchtigten Siedlung eines deutschen Fanatikers in Chile. Auch ein in Krefeld lebender Arzt hat mit der Geschichte zu tun.

Politthriller, die sich ernsthaft brisanten gesellschaftlichen Themen widmen, dennoch unterhaltsam daherkommen und mit einer Starbesetzung auf ein großes Publikum zielen, sind hierzulande Mangelware. Der deutsche Oscarpreisträger Florian Gallenberger ("John Rabe") wagt diesen Spagat zwischen Anspruch und Entertainment und legt mit "Colonia Dignidad — Es gibt kein Zurück" und den prominenten Hauptdarstellern Emma Watson und Daniel Brühl einen stark besetzten Thriller vor. Der setzt mit dem Putsch von Pinochet 1973 in Chile ein, und führt uns dann mitten hinein in die obskure "Colonia Dignidad" des aus Deutschland stammenden Laienpredigers Paul Schäfer.

Die deutsche Sektenkolonie in Chile bündelt religiösen Wahn, Militärdiktatur, Mord, Folter, Kindesmissbrauch. Dabei fällt immer auch der Name des Arztes Hartmut Hopp: Er wird zum Führungszirkel um den Colonia-Gründer Paul Schäfer gezählt. Hopp lebt seit 2011 in Krefeld, obwohl er in Chile zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Er kann nicht ausgeliefert werden, weil es dazu kein Abkommen gibt. Doch es tut sich etwas in dem Fall: Chile hat ein "Strafvollstreckungsübernahmeersuchen" gestellt und beantragt, dass die Deutschen das Urteil vollstrecken. Die Krefelder Staatsanwaltschaft prüft das Ansinnen derzeit.

Zum Film: Der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl), ein glühender Anhänger des gewählten Präsidenten Salvador Allende, und seine Freundin, die Stewardess Lena (Emma Watson), werden von der Geheimpolizei in Chile verhaftet. Daniel wird verschleppt, gefoltert, und landet in der berüchtigten "Colonia Dignidad", gegründet von deutschen Auswanderern. Lena wird wieder freigelassen, recherchiert bei Amnesty International und macht sich dann auf eigene Faust auf den Weg in die abgeschottete "Colonia Dignidad". Hier wird sie vom autokratisch-sadistischen Sektenführer Paul Schäfer (angsteinflößend: Michael Nyqvist, "Millenium") empfangen, und in den Frauentrakt eingewiesen. Allmählich gelingt es Lena, Kontakt zu Daniel aufzunehmen. Gemeinsam planen sie den Ausbruch aus der mit Selbstschussanlangen gesicherten Anlage.

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Politisch korrekt ist Gallenbergers Film: Keineswegs unterschlägt er die skandalöse Kumpanei zwischen der deutschen Botschaft und dem selbstherrlichen Sektenführer Schäfer, der die Siedlung 1961 gegründet hatte und später wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, Mordes und Folter und zahlreicher weiterer Verbrechen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und 2010 verstarben. Auch Hopp wurde angeklagt und floh 2011 nach Deutschland. Chiles Richter sind überzeugt, dass er Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Kindern geleistet hat. Er machte immer geltend, von Schäfers Verbrechen erst nach dem Ende der Colonia Dignidad erfahren zu haben. Die Krefelder Staatsanwaltschaft begann im selben Jahr mit eigenen Ermittlungen gegen Hopp.

Bis zur Flucht der Hauptfiguren im Film arbeitet dieser sehr beklemmend, aber zu vorhersehbar, brav und mitunter langatmig die Gräueltaten des pädophilen Schäfer ab, der kleine Jungs unter der Dusche reihenweise missbraucht. "Auch wenn unsere beiden Hauptfiguren erfunden sind, ist das, was ihnen und den anderen Figuren widerfährt, historisch verbrieft, bis zu den einzelnen Dialogen Schäfers", sagt Regisseur Gallenberger.

Die Hauptfiguren wirken konstruiert und der Handlung aufgesetzt. Warum ist der deutsche Fotograf in Chile? Von seiner Stewardess-Freundin Lena erfahren wir noch weniger. Da können dann "Harry Potter"-Star Emma Watson und Daniel Brühl noch so engagiert spielen — beide wirken wie Fremdkörper in dieser düsteren Tragödie, die historisch schon sehr entrückt wirkt.

Politthriller, auch wenn sie nicht in der unmittelbaren Gegenwart spielen, sollten immer auch aktuelle Bezüge haben. Die vermisst man in "Colonia Dignidad" schmerzhaft.

"Colonia Dignidad", Deutschland 2015, 110 Min., Regie: Florian Gallenberger, mit: Emma Watson, Daniel Brühl, Michael Nyqvist

(RP)
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