Interview Christian Petzold: "Gespenster irren herum"

Berlin (rpo). Christian Petzold hat sich in den vergangen Jahren als ein herausragender Regisseur etabliert. Dazu beigetragen haben seine Filme "Die innere Sicherheit" und "Wolfsburg". Bereits auf dem Filmfest Berlinale Anfang des Jahres präsentierte er seinen Film "Gespenster", der seit Donnerstag in den Kinoas läuft. Im Interview spricht der 45-Jährige über die Faszination von Gespenstern und seinem neuen Filmprojekt.

Gespenster
18 Bilder

Gespenster

18 Bilder
Foto: Arne Hoehne Presse/Piffl

Herr Petzold, was sind eigentlich Gespenster?
Gespenster sind nicht nur Wesen, die Angst machen, sondern auch Wesen, die in sich Erzählungen tragen. Gespenster haben den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Das trifft auch auf die drei Hauptfiguren in meinem Film zu. Schon "Die innere Sicherheit" sollte eigentlich "Gespenster" heißen. Auch da finden die Menschen im Leben keinen Ort und irren herum. Sie werden nicht mehr gebraucht, fallen aus der Geschichte.

Beruhen Ihre Filme auf eigenen Erfahrungen und spiegeln Erlebtes wider?
Das hat alles immer viel mit dem Selbsterlebten zu tun. Was ich gelesen und gesehen habe, das hat mich auch geprägt und findet sich in meinen Filmen wieder. Alle Drehbücher, die ich geschrieben habe, sind immer auf Reisen entstanden. Die Empfindungen und Erfahrungen, wie zum Beispiel Einsamkeit, gehen sicher in den Film mit ein. Auch biografische Anekdoten der Schauspieler finden sich manchmal im Drehbuch wieder. Aber die Filme sind meistens klüger als die eigene Biografie.

Wie kamen Sie auf die Idee, als Filmmusik Werke von Johann Sebastian Bach einzusetzen?
Ich habe einen Freund, der Bach-Spezialist ist. Der hat mich vor zweieinhalb Jahren in das Kantatenwerk von Bach eingeführt. Das war ein ungeheuer prägender Sommer. Ich habe viel Bach gehört und auch etwas begriffen. Als ich dann das Drehbuch zu "Gespenster" geschrieben habe, fiel mir ein, dass der Bildungsbürger ein Trauma vielleicht anders verarbeitet als die übrige Bevölkerung, denn für die Gebildeten gibt es Trost spendende Kunst. Und bei Bach geht es immer um unendliches Leid, aber auch um Trost.

Ihre Hauptdarstellerin Julia Hummer spielt ihre Rolle in "Gespenster" ähnlich wie zuvor in "Die innere Sicherheit".
Die Julia spielt zwar eine vollkommen andere Figur, aber mein Gedanke war, dass man nach "Innere Sicherheit" einen biografischen Schnitt macht und dieselbe Figur, die wir dort gesehen haben als Tochter, in ein anderes Leben geht. Ich wollte es so, dass sich beide Figuren ähneln.

Hat sich Ihre eigene filmische Handschrift im Laufe der Zeit verändert?
In meinen früheren Filmen gibt es ganz viele Szenen, die für die Zuschauer gemacht sind: Dialoge, die so geschrieben sind, dass sie auf einen besonders originellen Satz oder einen Sketch hinlaufen. Das Interesse an so etwas habe ich völlig verloren.

Woran arbeiten Sie derzeit?
Ich habe einen Film in Vorbereitung, in dem Nina Hoss die Hauptrolle spielen wird. Es geht dabei um eine Frau, die sich in ein anderes Leben träumt, aber dabei nicht merkt, dass sie längst gestorben ist. Drehstart ist im Mai 2006.

Das hört sich fast wieder nach einer Gespenster-Geschichte an.
Stimmt. Und damit werde ich meine Gespenster-Trilogie abschließen. Das war auch so geplant. Danach muss ich mal wieder etwas anderes machen.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort