Cannes Goldene Palme für Michael Haneke

Cannes (RP). Bei den Filmfestspielen in Cannes ist gestern Abend der 67-jährige österreichische Regisseur für seinen Film "Das weiße Band" mit dem höchsten Preis ausgezeichnet worden. Der Schwarzweißfilm spielt am Vorabend des Ersten Weltkriegs in Norddeutschland.

Cannes: Die Gewinner
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Die Freude stand ihr deutlich im Gesicht geschrieben. Die Grande Dame des französischen Films hatte es zu Beginn des Festivals bereits deutlich gesagt: "Meinem Freund Michael Haneke würde ich am Abend des 24. Mai gern die Goldene Palme überreichen." Haneke hatte Madame Huppert einst bei der "Klavierspielerin" zu einer ihrer besten Leistungen getrieben. Der Ausspruch jedenfalls ist mittlerweile fast zwei Wochen alt. Die Jury musste sich dieses Mal nicht durch viele mittelmäßige Filme quälen. Die 20 Filme im Wettbewerb waren fast alle von sehr guter bis herausragender Qualität. Aber es gab eben nur einen Michael Haneke.

Der geborene Münchner, der viele Jahre in Paris lebte und nun in Wien sein Zuhause gefunden hat, zeigt seine Filme gern an der Croisette. Nur beim letzten Mal war er Gerüchten zufolge ziemlich sauer. Denn für seinen meisterhaft verrätselten Krimi "Caché" hatte ihm die Jury den Regiepreis zugesprochen. Er hatte aber mit der Goldenen Palme gerechnet.

Es gibt da diese schöne Geschichte, dass er erst überredet werden musste, sein Hotelzimmer zu verlassen, um den Preis entgegenzunehmen. Künstler sind eben nun einmal empfindsame Seelen.

Dieses Mal nun stimmte anscheinend alles, und ein sehr erleichterter Michael Haneke konnte für seinen formal überragenden Film "Das weiße Band" absolut verdient die Goldene Palme in den Händen halten. Er stand umjubelt auf der Bühne im Kino "Lumière" und dankte seiner Frau, die mit ihm an die Croisette gereist war, dem deutschen Team und natürlich dem Festival von Cannes, das ihm einen der schönsten Abende seines Lebens beschert haben dürfte. Der Film, der von scheinbar unerklärlichen Unfällen am Vorabend des Ersten Weltkriegs erzählt, wird am 12. November in die deutschen Kinos kommen.

Und es war nicht der einzige Erfolg für Österreich. Christoph Waltz hat für seine umwerfende Leistung in "Inglourious Basterds" den Darstellerpreis bekommen. Eine Auszeichnung, die so offensichtlich war, dass jede andere Wahl als Affront hätte empfunden werden müssen.

Der Film von Quentin Tarantino — das wurde kurz nach seiner Premiere in Cannes bekannt — ist noch nicht fertig. Der Verleih drängt darauf, dass der quirlige Regisseur noch einmal in den Schneideraum geht, um an der Geschichte über Rache an den Nazis zu feilen. Der jetzt zweieinhalb Stunden lange Film soll um einiges kürzer werden. Kein Zweifel: Das würde ihm ganz gut tun. Aber an der Leistung von Waltz gibt es nichts zu kritteln. Wie er diesen SS-Offizier Hans Landa, genannt "Der Judenjäger" anlegt, mit welcher Brillanz er von gespielter guter Laune zur tödlichen Bestie wechselt, das ließ Journalisten aus allen Ländern staunen, und immer wieder bekam man in den letzten Tagen die Frage gestellt: "Wo bitte habt ihr den denn die ganze Zeit versteckt gehalten? Wo kommt der her? Was hat er bisher gemacht?" Eines steht fest: Mit diesem Film ist Christoph Waltz endgültig zum Star geworden.

Der Preis für die beste weibliche Hauptdarstellerin sorgte im Palais des Festivals für Jubelstürme. Denn Charlotte Gainsbourg hat sich ihren Preis für Lars von Triers neues Schockwerk "Antichrist" mehr als verdient.

Auch die anderen Preise sorgten für ein so selten zu vernehmendes Gemurmel unter den Journalisten. Offenbar hatte eine Jury mal alles richtig gemacht. Der Große Preis der Jury ging zu gleichen Teilen an zwei sehr unterschiedliche Filme: zum einen an die Engländerin Andrea Arnold für ihre packende Sozialstudie "Fish Tank", zum anderen an das bildgewaltige, aber auch sehr gewöhnungsbedürftige Vampirdrama "Bak wi".

Alles in allem Filme, die den Weg in die Kinos schaffen dürften. Eine Seltenheit bei Filmfesten weltweit, die normalerweise kleine schwierige Filme auszeichnen, um ihnen zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen.

Für 2010 gibt es schon Anzeichen, dass es wieder ein Film, gefördert mit Geldern aus NRW, nach Cannes schafft. Denn Wim Wenders ist gerade dabei, seinen ersten 3D-Film zu drehen. Er will Pina Bausch bei der Arbeit beobachten. Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, hatte bei seinem Besuch in Cannes gegenüber unserer Zeitung bestätigt: "Ja, Herr Wenders ist an uns herangetreten. Aber nun muss erst einmal geprüft werden."

Wenn man bedenkt, dass Cannes in diesem Jahr mit seinem Auftaktfilm "Up" ein Zeichen in Richtung 3D gesetzt hat, würde der neue Wenders hervorragend dorthin passen.

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