"Trainspotting 2" Was von Trotz, Rebellion und Zerstörungswut bleibt

Simon will ein Bordell aufmachen, Spud seinem Leben als Fixer ein Ende setzen und Mark läuft: 20 Jahre nach "Trainspotting" kommt die Fortsetzung ins Kino. "T2" erzählt vom Erinnern und Verklären, von offenen Rechnungen und brüchigen Freundschaften und von Süchtigen, die süchtig bleiben.

Trainspotting 2 - Bilder der T2-Premiere bei der Berlinale 2017
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Trainspotting 2 - Premiere bei der Berlinale

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Foto: dpa, sab

Da war so viel Trotz, so viel Rebellion, Zerstörungswut - und so viel Lebensfreude. Als Danny Boyle 1996 von ein paar Jungs in Edinburgh erzählte, die sich mit Heroin aus der Enge eines Arbeiterviertels schießen wollen, gelang ihm die ultimative Höllenfahrt. Iggy Pop, David Bowie und New Order lieferten den Soundtrack für eine Geschichte über Rebellion, Freiheitsdrang, Freundschaft und die zersetzende Wirkung von Drogen.

Am Ende ist einer der Kumpel tot, ein Baby erstickt jämmerlich am eigenen Erbrochenen und nur einer versucht dem Fixer-Schicksal zu entkommen: Mit frechem Grinsen im Gesicht läuft Ewan McGregor am Ende mit dem Geld seiner Freunde in der Sporttasche durch Edinburgh.

Kann das gelingen?

Doch da sind auch Zweifel in diesem Grinsen: Kann das gelingen - das Heroin einfach hinter sich lassen, abhauen aus dem Dreck, ein neues Leben beginnen?

 Jonny Lee Miller als Simon (l), Ewan McGregor als Renton und Anjela Nedyalkova als Veronika in "T2".

Jonny Lee Miller als Simon (l), Ewan McGregor als Renton und Anjela Nedyalkova als Veronika in "T2".

Foto: dpa, csa

20 Jahre später gibt Danny Boyle die Antwort. Er wagt, was nur selten gelingt: einen Kultfilm fortzusetzen. Am Donnerstag kommt "T 2" in die Kinos, bei der Berlinale hatte die Fortsetzung des Junkie-Dramas "Trainspotting" jetzt Premiere.

Ein Faustschlag, ein wilder Trip ist dieser zweite Teil nicht geworden. Es geht ja auch nicht mehr um Aufsässigkeit, Hass auf die Verhältnisse, um Punk. 20 Jahre später müssen die Jungs Bilanz ziehen, müssen sich fragen, ob sie ihre Träume gelebt oder alles versaut haben. Ob sie Junkies geblieben sind.

Sport statt Heroin

Hart steigt Boyle gleich ein mit der Sucht der Gegenwart. Die Kamera findet Mark 20 Jahre nach seiner Flucht aus dem Drogenmilieu im Fitnessstudio, auf dem Laufband flüchtet er noch immer. Er drückt kein Heroin mehr, er ist jetzt Sportler.

Der gute alte Spud dagegen ist an der Nadel geblieben, Simon ist ins Porno-Geschäft eingestiegen und der wahnsinnige Begbie ist gerade mal wieder nicht vorzeitig entlassen worden. Was bleibt den Jungs also als der Blick zurück, als Mark in Edinburgh auftaucht und über früher reden will? Über seinen Verrat an den Freunden und das, was sie aus ihrem Leben gemacht haben. "Du bist doch nur ein Tourist in deine eigene Kindheit", schreit Simon ihn an. Da stehen sie gerade wieder in der Schottischen Landschaft wie damals, als so ein Ausflug schon einmal daneben ging.

Es geht ums Älterwerden und Erinnern, um Nostalgie und die Brüchigkeit von Freundschaften, die schon immer nur bis zum nächsten Schuss getragen hat. Boyle erzählt schneller, heutiger, aber auch gefälliger als im ruppigen "Trainspotting", schnipselt Snapshat-Bilder in seine Szenen, mischt sich mit Digitalkamera unters Partyvolk. Das aber grölt Queens "Radio Gaga", so pendelt der Film unangestrengt zwischen Gestern und Heute, zwischen Retro-Verklärung und aggressiver Gegenwärtigkeit. Und das ist berührend und hält ganz schön in Atem.

Intelligente Zitate aus eigenem Kultfilm

Außerdem ist eine Neue im Spiel. Veronika, gespielt von Angela Nedyalkova. Sie ist Simons 20 Jahre jüngere Freundin, eine Bulgarin, die für ihn anschaffen geht. Eine abgebrühte junge Frau, die völlig unverklärt auf ihr Leben blickt und die nostalgischen Anwandlungen der Freunde, die mal eine Wut geteilt und einander betrogen haben, nur ironisch beobachten kann.

Immer wieder spielt Boyle intelligent mit Zitaten aus seinem eigenen Kultfilm, wenn Mark etwa in einer Disko-Toilette angewidert die Kabine wechselt, obwohl Trainspotting doch für das ekelhafteste Klo der Filmgeschichte berüchtigt ist.

Auch der alte Soundtrack mit Iggy-Pop- oder Underworld-Songs taucht wieder auf. Manche Stücke hat Boyle aber von der schottischen Band "Young Fathers" in den Sound der Gegenwart tauchen lassen. Der ist härter, schneller, lauter, aber nicht besser. Manches an diesem Film ist eben zu offensichtlich auf Jetzt-Zeit getrimmt, als wolle Boyle beweisen, dass er auch die Jugend von heute noch versteht. Mit den Jungs von damals aber weiß er immer noch umzugehen. Ihr harter Humor, ihre Leidenschaft und Aggressivität ist nicht vergangen. Und obwohl sie ihre Leben nicht in den Griff bekommen haben, liebt man sie für ihr Scheitern.

"T2" ist also kein neuer Kultfilm. Aber zum Glück hat es Boyle darauf auch gar nicht abgesehen. Er erzählt rasant, witzig, brutal, aufrichtig von Kindsköpfen, die älter, aber nicht weiser geworden sind. Traurig. Und tröstlich.

(dok)
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