Toller Beitrag auf der Berlinale "Almanya" — Integration zum Schmunzeln

Berlin (RPO). Die Berlinale bietet auch in diesem Jahr Raum für Politisches. Wer allerdings beim Film "Almanya" einen drögen Problemfilm zum Thema Integration vermutet, ist zum Glück schief gewickelt. Zwar ist die Geschichte über eine türkische Gastarbeiterfamilie in den 1960er Jahren nicht frei von Klischees. Charaktere und Handlung sind aber derart liebevoll und ironisch angelegt, dass dem Filmfreund warm ums Herz wird.

Bilder aus und um "Almanya - Willkommen in Deutschland"
13 Bilder

Bilder aus und um "Almanya - Willkommen in Deutschland"

13 Bilder

Berlin (RPO). Die Berlinale bietet auch in diesem Jahr Raum für Politisches. Wer allerdings beim Film "Almanya" einen drögen Problemfilm zum Thema Integration vermutet, ist zum Glück schief gewickelt. Zwar ist die Geschichte über eine türkische Gastarbeiterfamilie in den 1960er Jahren nicht frei von Klischees. Charaktere und Handlung sind aber derart liebevoll und ironisch angelegt, dass dem Filmfreund warm ums Herz wird.

Für die Filmemacher-Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli sind türkische Gastarbeiterfamilien in der Vergangenheit oft zu negativ dargestellt worden. "Es gab auch Väter, die nicht ausgeflippt sind, wenn man gesagt hat: 'Papa, ich will Regisseurin werden'", sagte Yasemin Samdereli am Samstag bei der Vorstellung ihrer Komödie "Almanya - Willkommen in Deutschland", die im Wettbewerb der Berlinale außer Konkurrenz läuft.

Für sie sei das Thema Integration nicht "so düster": "Wenn wir aus unserer Kindheit erzählt haben, haben die Leute oft gelacht." Dies war für die Schwestern, die gemeinsam das Drehbuch schrieben und schon zusammen für die TV-Serie "Türkisch für Anfänger" arbeiteten, Anlass, ihre persönliche Geschichte als Basis für ihren ersten Kinofilm zu nehmen. In dem Film stecke viel von dem, "was wir erlebt haben", sagte Yasemin Samdereli.

Humorvolle und anrührende Geschichte

"Almanya - Willkommen in Deutschland" erzählt die Geschichte von Hüseyin Yilmaz und seiner Familie, die Mitte der 60er Jahre als türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Die meisten Familienmitglieder fühlen sich inzwischen als Deutsche, Enkel Cenk kann noch nicht mal mehr Türkisch. Bei einer Familienfeier schockt Hüseyin seine Sippe mit der Botschaft, er habe ein Haus in der alten Heimat gekauft und wolle mit der ganzen Familie dorthin fahren.

Die Geschichte wird ebenso humorvoll wie anrührend erzählt. Vor allem am Anfang wird zwar kaum ein Klischee ausgelassen, doch tragen die Schwestern dabei nie zu dick auf. Neben den Filmemacherinnen, die wissen, wovon sie erzählen, tragen auch die anderen Darsteller durch ihre Biografien zur Authentizität bei. Schauspieler Fahri Yardim, der den jungen Hüseyin darstellt, sagte am Samstag, er spiele auch ein bisschen seinen eigenen Vater.

Suche nach Identität

Wie ein roter Faden zieht sich durch "Almanya" auch die Frage: Was ist deutsch und was ist türkisch? Der sechsjährige Cenk (Rafael Koussouris) bekommt das zu spüren, als ihn in der Schule weder seine deutschen noch seine türkischen Mitschüler in ihre Fußballmannschaft wählen wollen. Und für Hüseyin und seine Frau Fatma (Lilay Huser, Demet Gül) ist die Frage auch mit dem frisch erworbenen deutschen Pass nicht gelöst.

Yardim sagte am Samstag in Berlin, auch er fühle sich weder "typisch deutsch" noch "typisch türkisch". Vedat Erincin, der den alten Hüseyin darstellt, sagte: "Auch die Kopftuchtürken in Deutschland sind nicht mehr die Türken aus der Türkei."

Kunstsprache erschaffen

Cousine Canan (Aylin Tezel) erklärt im Film dem kleinen Cenk die in Rückblenden dargestellte Familiengeschichte der Yilmaz' - von den Vorurteilen über die dreckigen und ungläubigen Deutschen bis zum ersten ungelenken Weihnachtsfest. Eigens für den Film schufen die Schwestern Samdereli eine für jeden Zuschauer unverständliche Kunstsprache, um in einigen Szenen das anfängliche Gefühl der Fremdheit der Gastarbeiter in Deutschland zu betonen.

Und am Ende gibt es noch ein Plädoyer für Multikulti: Cenk nimmt stellvertretend für Hüseyin von der Bundeskanzlerin die Ehrung als 1.000.001ster Gastarbeiter an. Denn "Almanya" erinnert nach Angaben der Macherinnen auch daran, "dass Gastarbeiter damals von der deutschen Regierung gerufen wurden, und dass sie maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität dieses Landes beigetragen haben".

(DDP/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort