Berlinale 2012 Angelina Jolie will ernstgenommen werden

Berlin · Hollywood-Star Angelina Jolie hat bei der Berlinale ihre erste Regiearbeit vorgestellt: "In the Land of Blood and Honey", ein Kriegsfilm mit vielen drastischen Gewaltszenen und politisch korrekter Botschaft.

Angelina Jolie - Eine unvergleichliche Karriere
10 Bilder

Angelina Jolie - Eine unvergleichliche Karriere

10 Bilder

Es ist ein Bild für die Einsamkeit echter Stars: Gerade ist Angelina Jolie noch Arm in Arm mit ihren Schauspielern vor die Fotografen getreten — eine Regisseurin und ihre Truppe, muntere Typen vom Balkan und ihre Chefin aus Hollywood. Doch die Fotografen wollen sie alleine. Also treten die Schauspieler ab, Angelina Jolie bleibt allein zurück, dreht und wendet sich im Geflacker der Blitzlichter. Da ist sie wieder Lara Croft oder die Beowulf-Verführerin — eine Frau, die wegen ihres Körpers bejubelt wird.

Angelina Jolie ist nach Berlin gekommen, um das zu ändern. Sie hat einen Film gedreht, um endlich hinter ein Werk treten zu können, als Intellektuelle ernstgenommen zu werden. Vor ihr hat auch Madonna das schon versucht. Doch deren Filme waren dann nur verlängerte Video-Clips. Jolie wollte es anders machen. Also hat sie sich für das härteste Genre entschieden und einen Kriegsfilm gedreht. "In the Land of Blood and Honey", der jetzt bei der Berlinale Premiere feierte, erzählt von der unmöglichen Liebe zwischen einer bosnischen Malerin und einem serbischen Soldaten, davon, wie Misstrauen, Hass, der Krieg in eine Beziehung sickern,ihr jede Chance nehmen.

Jolie hat das Drehbuch geschrieben und zeigt mit diesem Film, dass sie Regie führen kann. Doch der gewagte Kriegsfilm, der eigentlich in dieser Geschichte steckt, ist ihr nicht gelungen. Das liegt unter anderem daran, dass sie zu viel und zu drastisch Gewalt in Szene setzt. Als wolle sie beweisen, dass Angelina Jolie nicht zimperlich ist. Da werden Menschen aus ihren Wohnungen getrieben, willkürlich erschossen, Frauen vergewaltigt, dann werfen Soldaten sogar ein Baby über den Balkon. Doch obwohl Jolie exzellente Schauspieler aus Bosnien, Serbien und Kroatien versammelt hat, wirken die Szenen drapiert, die Geschundenen wie hergerichtet. Und die Frequenz der grausamen Exzesse ist so hoch, dass sich die Bilder gegenseitig die Wirkung nehmen.

Bei ihrer Pressekonferenz in Berlin wurde Jolie dann prompt gefragt, wie sie als Mutter, solch furchtbare Szenen wie den Mord an dem Säugling habe drehen können. Jolie reagierte auf solche Kurzschlussfragen klar und bestimmt im Ton. "Gerade weil ich Mutter bin, ist der Film so hart geworden", sagte sie. "Kriegsfilme sollten schwer erträglich sein, weil die Realität unerträglich ist." Sie selbst sei 17 gewesen, als der Bosnienkrieg ausbrach, es sei der Krieg ihrer Generation, darum habe sie eine "humanistische Verantwortung" gespürt, davon in aller Härte zu erzählen. Wie zu erwarten, ist der Film in Serbien auf heftige Kritik gestoßen. Schließlich tun darin serbische Soldaten schreckliche Dinge, während eine schöne Bosnierin im Zentrum der feindlichen Macht Ölporträts pinselt. Es ist aber falsch, Jolie Einseitigkeit vorzuwerfen. Im Gegenteil: Der Film ist politisch korrekt darum bemüht, gute und schlechte Charaktere auf beiden Seiten vorzuführen. Da spürt man, dass die Jolie UN-Sonderbotschafterin für Flüchtlingsfragen ist. Ihr Film wirkt wie eine einzige Beteuerung, dass sie keine Charity-Lady ist, sondern ihr Engagement ernstmeint und jetzt sogar mit den Mitteln der Kunst für ihre Mission eintritt. Nur entsteht aus solchen Motiven nur selten Kunst.

Dass Filme gerade dann besonders stark wirken, wenn der Regisseur keine Botschaft bebildern will, sondern gelassen und klug eine Geschichte entfaltet, hat der erste deutsche Beitrag im Berlinale-Wettbewerb vorgeführt: Christian Petzolds "Barbara". Darin spielt Nina Hoss eine Berliner Ärztin, die einen Ausreiseantrag stellt und daraufhin an die Ostseeküste strafversetzt wird. Von dort will sie mit Hilfe ihres Wessi-Freundes fliehen, muss bis dahin aber im Provinzkrankenhaus Dienst tun. Nina Hoss spielt diese isolierte Frau auf dem Sprung in den Westen mit einer gekonnten Mischung aus Stolz, Kühle, edler Sprödigkeit. Das hat man von dieser Schauspielerin zwar nun schon öfter gesehen. Doch diesmal trifft Hoss auf einen ganz anders gearteten Gegenspieler, auf den warmherzigen Ronald Zehrfeld. Zwischen beiden entwickelt sich eine angenehm unsentimentale Liebesgeschichte, die berührt, weil sie so unaufgeregt, so nebenher, so wahrhaftig erzählt wird.

Petzold gelingt es außerdem, die DDR in den 80-er Jahren tatsächlich einmal lebendig darzustellen, ohne die üblichen Kulissen zusammenzuschrauben und als Beleg erfolgter Recherche Ostalgiestücke darin zu verteilen. Petzold geht es um die Stimmung jener Jahre, um den Umgangston, um die Normalität. Und so erlebt man in diesem Film einen poetischen Realismus, der von Alltag erzählt, ohne banal oder nachgestellt zu wirken.

Dafür nimmt das Drehbuch ein paar Unwahrscheinlichkeiten in Kauf. Der Film ist etwa so auf die beiden Ärzte Hoss und Zehrfeld konzentriert, dass sie ein wenig wie Solitäre durch den Alltag gleiten, als hätten sie keine Kollegen, keine Freunde, keinen Schichtdienst. Doch das ist das Recht des poetischen Realismus, er greift nur das aus der Welt, was zu erzählen lohnt. Und das gelingt Petzold so überzeugend, dass gleich der erste deutsche Beitrag im Wettbewerb als Bärenkandidat gehandelt wird.

Ein wenig liegt das allerdings daran, dass der Wettbewerb ansonsten eher schwächelt. Außer dem französischen Film "À moi seule", der auf eigenwillige Art eine Natascha-Kampusch-Geschichte erzählt, war bisher mehr Kurioses als Überzeugendes zu sehen. Noch wartet die 62. Berlinale auf die große Entdeckung.

(RP/sap/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort