Festival wieder im Düsseldorfer Volksgarten Rock gegen Rechts

Düsseldorf · Im Düsseldorfer Volksgarten steigt an diesem Samstag das gleichnamige Festival nach zwei Jahren wieder vor Publikum – organisiert wird es von engagierten Ehrenamtlern.

 Beim Festival spielt auch Roter Kreis mit dem Toten-Hosen-Drummer Vom Ritchie (2. v. r.).

Beim Festival spielt auch Roter Kreis mit dem Toten-Hosen-Drummer Vom Ritchie (2. v. r.).

Foto: Roter Kreis/Rock gegen Rechts

Die Augenring-Ansätze im ansonsten gewohnt wachen Gesicht verraten es auf den ersten Blick: Thomas Reucher, zweiter Vorsitzender des Vereins Rock gegen Rechts Düsseldorf und seine Mitstreiter, die nach zweijähriger Live-Abstinenz das gleichnamige Festival im Volksgarten auf die Beine stellen, haben anstrengende Tage hinter sich. Ihre Mission, für die sie sich zuletzt viele Feierabende um die Ohren gehauen haben: ein „U & D“ organisieren. Der Name ist Programm – er steht für „Umsonst und Draußen“ und hat auch eine politische Dimension: „Unser Hauptanliegen ist es“, sagt Reucher, „klarzumachen, dass man sich in einer weltoffenen Stadt wie unserer eindeutig gegen die extreme Rechte, gegen jede Form von Rassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus positioniert.“ Das hat eine lange Tradition. Nicht nur in Düsseldorf.

Wer sich auf die Event-Webseite begibt, um herauszufinden, was hinter der Idee eines  Festivals steckt, das sich ausdrücklich gegen Rechts richtet, landet schnell beim Verweis auf die deutschlandweit wohl erste Veranstaltung dieser Art: Das „Rock gegen Rechts“, das am 16. Juni 1979 auf dem Frankfurter Rebstockgelände über die Bühne ging und sich als Antwort auf das „Deutschlandtreffen“ der NPD verstand, bei dem 3000 Verfechter der extremen Rechten im Gleichschritt durch die Frankfurter Innenstadt marschierten – der Versuch einer Einschüchterung.

Das Festival, organisiert aus einem Bündnis aus linken Gruppen, Sozialdemokraten, Umweltschützern, Friedensbewegten und Gewerkschaftsjugend, war damals unter strengen Auflagen erlaubt worden: „Wir müssen die rechten Ochsenköppe stoppen, deshalb sind wir hier“, rief der damals gerade einmal 33-jährige Udo Lindenberg rund 30.000 Musikfans zu, die sich in Frankfurt versammelt hatten.

Ein Appell, der für die Macher des Düsseldorfer Rock-gegen-Rechts-Festivals nichts von seiner Aktualität verloren hat: Die Zeiten, sie sind andere, doch die Rechten, sie sind noch da. „Leider“, sagt Reucher: „Natürlich hat etwa die NPD nicht mehr die politische Bedeutung wie vielleicht noch in den 70ern, aber das Problem des Rechtspopulismus und die Gefahr der extremen Rechten ist ja nicht weg, im Gegenteil“, sagt der 50-Jährige. Umso wichtiger sei es, dagegenzuhalten. Mit allen Mitteln – gerade denen der Musik: „Auf diese Weise wollen wir einen kulturellen Resonanzraum schaffen, in dem gesellschaftliche Debatte stattfinden kann.“ Damit das klappt, laden rund 25 Infostände von Initiativen und gesellschaftlich aktiven Gruppen zum politischen Plausch und Gedankenaustausch ein.

So viel Engagement kostet: Zeit und Geld. Und zwei Jahre Pandemiepause haben die Kalkulation nicht einfacher gemacht.  „So gesehen ist es ja fast ein Segen“, sagt Reucher in einem Anflug von Selbstironie, „dass wir als prinzipiell fast immer unterfinanziertes Umsonst-und-Draußen-Festival uns fast ausschließlich aus Spenden und den Einnahmen aus dem T-Shirt- und Getränkeverkauf finanzieren.“

Nur gut, wenn man in so einer vertrackten Lage Hilfe hat. „Die Unterstützung durch die örtliche Kulturszene – und seit einigen Jahren auch durch das Kulturamt der Stadt – ist gewaltig“, berichtet der 50-Jährige. Das muss sie auch sein. Eintritt ist tabu – genau wie ein Zaun, der das Gelände abschirmt: „Weil wir niemanden ausschließen wollen – allein schon, um den Anspruch von Kultur für alle zu ermöglichen.“

Ein Anspruch, der sich auch in der musikalischen Agenda widerspiegelt: Gab es in den Anfangsjahren in erster Linie harten Punkrock auf die Ohren der Besucher, der genretypisch rau und ungeschliffen daherkam, so hat sich das Festival inzwischen auch musikalisch stark geöffnet: So repräsentiert das diesjährige Line-up ein breites musikalisches Spektrum, das von klassischen Politprotestsongs des irischen Folk-Singer-Songwriters Pól Mac Adaim bis zur Ur-Düsseldorfer Punkrock-Formation Die Schwarzen Schafe reicht. Hinzu kommt Roter Kreis, nach Reuchers Ansicht „wohl eines der derzeit aufregendsten Musikprojekte, die Düsseldorf zu bieten hat“, das unter anderem örtliche Szenegrößen wie Tote-Hosen-Schlagzeuger Vom Ritchie und Fehlfarben-Gitarrist Thomas Schneider zusammenbringt – bis hin zum energiegeladenen Mix aus Ska, Hip-Hop, Dancehall und Reggae eines Mal Élevé, der als Haupt-Act mit all seiner deutsch-französischen Wortgewalt antritt, um die Ballonwiese zum Beben zu bringen.

Und nach dem Beben? Wie der ideale Sonntag aussieht? Da muss der Vereinsvize nicht lange überlegen: „Wenn ich nach ein paar vermutlich viel zu kurzen Orga-Tagen mit dem guten Gefühl aufwache, ein paar Tausend Leute hatten Spaß, haben vor der Bühne abgefeiert“, dann wäre für Reucher und den Rest der Orga-Crew „mal wieder ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er. Dann wäre das Kalkül der rührigen Ehrenamtler aufgegangen. Und Udo Lindenberg, die nuschelige Galionsfigur des Frankfurter Ur-Festivalkonzepts, sicher mächtig stolz auf die Gegen-Rechts-Rocker vom Düsseldorfer Volksgarten.

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