Venedig Film über Völkermord an den Armeniern

Venedig · Der deutsch-türkische Regisseur stellte beim Filmfestival in Venedig sein lange erwartetes Epos vor.

Bilder aus Fatih Akins "The Cut"
6 Bilder

Bilder aus Fatih Akins "The Cut"

6 Bilder
Foto: dpa, bsc

Fatih Akins neuer Film gehört zu den wenigen Titeln im diesjährigen Festivalprogramm von Venedig, über die schon vorab viel diskutiert wurde. Dabei standen ganz unterschiedliche Aspekte im Vordergrund: für die deutschen Medien, dass er der einzige deutsche Regisseur im Wettbewerb ist, für die türkischen, dass Akin in "The Cut" ein Thema aufgreift, das im Geburtsland seiner Eltern, der Türkei, noch immer ein Tabu darstellt. Den Rest der Welt interessiert wohl am meisten, ob der Regisseur, der vor zehn Jahren mit "Gegen die Wand" in Berlin den Goldenen Bären gewann, den großen Erwartungen, die er seither nicht mehr ganz erfüllte, endlich gerecht werden kann.

"The Cut" ist als großes Epos angelegt. Anhand des Schicksals eines Mannes führt Akin darin den Genozid an den Armeniern in vielen Details vor Augen. Zu Beginn, im Jahr 1915, steht das multikulturelle Familienidyll in Mardin, einer Stadt im Südosten des ottomanischen Reiches. Schreckensnachrichten über Deportationen machen die Runde, als bald auch Nazaret (Tahar Rahim) von türkischen Milizen zur Zwangsarbeit abgeführt wird. Beim Straßenbau in der Wüste wird er Zeuge der bekannten Todesmärsche und -lager, erlebt Willkür, Vergewaltigung und Massaker. Dem eigenen Tod entgeht er nur durch das Missgeschick des Schergen, der ihm die Kehle durchschneiden soll und dabei lediglich die Stimmbänder trifft. Nazaret überlebt und landet als Flüchtling in Aleppo. Nach Kriegsende erfährt er, dass seine beiden Töchter noch am Leben sein könnten, und macht sich auf die Suche. Die führt ihn über Kuba in den Norden der Vereinigten Staaten.

Erneut ist auch bei Fatih Akin der Weg das Ziel. Seine Spannung zieht "The Cut" nicht aus dem von Anfang an ziemlich absehbar erscheinenden Ausgang der Geschichte, sondern daraus, was Nazaret auf seiner Reise widerfährt. Er ist ein passiver Held, durch den Kehlschnitt bald zum "stummen Zeugen" verurteilt. Der französische Schauspieler Tahar Rahim (bekannt durch "Der Prophet") verleiht seiner Figur durchweg einen trotzigen Stolz, der ihn bei allen Rückschlägen nicht aufgeben lässt. Hochrangig besetzt ist die Reihe der Figuren, denen Nazaret auf seiner Reise mal im Guten, mal im Schlechten begegnet - vom Franzosen Simon Abkarian über die Dänin Trine Dyrholm bis zum Deutschen Moritz Bleibtreu.

Akin gelingt es dabei bestens, die Situationen auf Leben und Tod eindringlich und dabei ganz ohne ethnische Stereotypie zu schildern. Was heute oft als absolute Setzung im Vordergrund steht, die religiöse Zugehörigkeit, unterspielt er geschickt - und angemessen. Der Triumph seines Films besteht darin, darauf zu bestehen, dass Menschen sich nicht dadurch unterscheiden, ob sie zu Allah beten oder ein Christus-Kreuz-Tattoo tragen, sondern allein durch ihre Handlungen.

Mit seinem weiten Spektrum von Orten kann Akin sein Talent für große Panoramaszenen zeigen, für die atmosphärische Etablierung ganz verschiedener Orte und Zeiten, sei es Aleppo um 1918 oder Havanna um 1922. Schwächen zeigt Akin bei der Zeichnung seiner Figuren, die mehr bestimmte Ideen repräsentieren denn als Charaktere lebendig werden.

(DPA)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort