Theater Auf den Hund gekommen

Düsseldorf · Evgeny Titov inszeniert Bulgakows „Hundeherz" am Düsseldorfer Schauspielhaus.

 Torben Kessler in „Hundeherz“.

Torben Kessler in „Hundeherz“.

Foto: Melanie Zanin

So hat sich der Professor den neuen Menschen nicht vorgestellt: Irrtümlich hat er durch die Transplantation menschlichen Hirns und Hodens in den Körper eines Straßenköters die Vermenschlichung des Tiers bewirkt. Nun sitzt ihm ein schmieriger, halbbehaarter Wüstling gegenüber, der weiter seinen Trieben folgt, flucht, wenn er spricht, in die Wohnung pinkelt, die Hauskatze reißt. Keine Unterwürfigkeit, keine Manieren, kein Dank. Natürlich stört so ein Hausgenosse das großbürgerliche Leben des Moskauer Arztes empfindlich. Und so sitzt der Professor in einer der dunkelsten Szenen zutiefst empört in seinem Fauteuil und beschimpft seinen Ex-Hund: Du bist Dreck,  Abschaum, ein Zufallsprodukt!

Der junge russische Regisseur Evgeny Titov inszeniert die bittere, politische Groteske von Michail Bulgakow am Düsseldorfer Schauspielhaus als eine Frankensteiniade. Es wird blutspritzend operiert hinter milchgläsernen Schiebetüren. Später gegessen, gefressen, aus den Einmachgläsern mit eingelegten Menschenteilen gesoffen, dem Zuschauer soll so richtig schlecht werden.  Das Bühnenbild führt derweil brav in die Entstehungszeit der Erzählung, ins Moskau der 1920er Jahre. Alles hübsch naturalistisch, den Transfer aus dieser gestrigen Theaterwelt muss der Zuschauer schon selbst vornehmen.

Torben Kessler trägt als Köter anfangs Hundemaske, später in diversen Vermenschlichungsstufen behaarte Haut. Seine Darstellung ist vor allem in den stillen Momenten berührend, wenn er als Köter im Schnee sitzt und von Wurstenden träumt oder nach der Operation schon mal im Professorensessel Platz nimmt, um wie Herrchen Oper zu hören. Als Mensch ist er mehr garstiger Clown, denn Prolet, ein zurechtgemachter böser Wolf in Großmutters Schlaftracht, vor dem sich niemand fürchten muss. Da vergibt die Inszenierung durch vordergründige Derbheit und eindeutige Zuordnungen viel von der bedrohlichen Ambivalenz aus Bulgakows Erzählung. Andreas Grothgar ist ein grundsympathischer, feiner Herr Professor, dem man das bisschen Menschenversuch gern nachsieht. Lou Strenger gibt sein Hausmädchen Sina als Parodie der verlebten Russin mit rollendem „rrr“. Stefan Gorski komplettiert als ergebener Assistent die aufrechte Bürgerwelt, während die Sowjetbürokratie in Gestalt der Hausverwalterbande um Markus Danzeisen als nervige Bedroher von Recht und Eigentum herüberkommen. Dabei persifliert Bulgakow in seiner Teufliade den Dünkel der Besitzenden genauso wie den kleingeistigen Fanatismus der Genossen und stellt die Frage, was ein Humanismus wert ist, der nur gebildeten, wohlerzogenen Mitmenschen gilt, die ihren Platz in der Rangordnung kennen. Doch Titov konserviert einen Stoff mit so offensichtlichen Bezügen zur Gegenwart im Formaldehyd der Vergangenheit und lässt den Deckel lieber auf dem Glas.

Info www.dhaus.de

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