Es lebe der Augenzeuge

Prof. Düwell: Deutsche Momente

Düsseldorf Der Düsseldorfer Historiker Kurt Düwell (73) über den Wert von Augenzeugen und der RP-Serie "Deutsche Momente".

Was ist der Vorteil von Augenzeugen für die historische Überlieferung?

Düwell Alle Geschichte ist auf Zeitzeugen angewiesen – das gilt schon seit der Antike. Auch darum finde ich es verdienstvoll von der Rheinischen Post, dass sie mit den "Deutschen Momenten" Zeitschnitte legt und versucht, Zeitzeugen und ihre persönliche Sicht stärker zu Wort kommen zu lassen.

Spielen bei Historikern und ihrer Arbeit auch Emotionen eine Rolle?

Düwell Der Fall der Mauer ist ein solch emotionaler Augenblick, bei dem aus vielen subjektiven Triebkräften und Eindrücken ein gemeinsames Gedenken entstehen kann, ein kollektives Gedächtnis.

Waren Sie als Wissenschaftler am Tag des Mauerfalls selbst bewegt?

Düwell Dieser Tag hatte etwas Atemberaubendes. In dieser Situation ist auch der Historiker nur ein Mensch, der mitgerissen wird. Aber es gab unter den Historikern auch etliche, die nicht begeistert waren, weil sie eine ideologische Unterwanderung der BRD befürchteten oder glaubten, dass es zu einer wirtschaftlichen Überforderung im Westen kommen könnte.

Wie relevant ist für den Historiker die Arbeit der Journalisten?

Düwell Journalisten sind wichtig; das ist zu sehen an den Beiträgen ihrer Serie. Interessant fand ich etwa, dass Ihre Kollegin Eva Quadbeck zur Wahl der ersten Bundeskanzlerin ungeschützt schreibt: ,Ich freue mich ein bisschen mit.' Und sie schreibt, dass sie aufgewachsen sei in einer Zeit, in der Politik von alten Männern mit dicken Brillen gemacht wurde. Das ist schön, wenn so etwas als Kolorit mit in die Geschichte hineinkommt.

Also können auch Reporter zu historischen Quellen werden?

Düwell Unbedingt. Im Grunde ist ihre Arbeit nichts anderes als das, was Herodot gemacht hat, als er sich zu den Schauplätzen der Geschichte aufgemacht hat und Augenzeugen unbequem befragte.

(RP)
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