Düsseldorf Erfinder der "Heimat": Edgar Reitz wird 80

Düsseldorf · Wenn man Edgar Reitz zu seinem Geburtstag etwas wünschen dürfte, dann dieses: Möglichst viele Leute sollten sich die erste Episode von "Die zweite Heimat" (1992) ansehen. Der junge Hermann kommt 1960 aus seinem Hunsrück-Dorf Schabbach nach München, er ist nun Student und sucht eine Bleibe. Er spricht bei einer Zimmerwirtin vor, es ist schwierig, und als er wieder draußen steht, gießt es in Strömen. Dieser Auftakt der "Chronik einer Jugend" bringt ins Bild, wie es sich anfühlt, dort weggegangen, aber hier noch nicht angekommen zu sein. Wegen solcher Szenen gilt Reitz als "Philosoph des deutschen Films".

Reitz stammt selbst aus dem Mittelgebirge, sein Vater war dort Uhrmacher. 1962 gehörte er zu den Unterzeichnern des "Oberhausener Manifests" – er und die Kollegen wollten ein neues Kino, lebenshaltiger, wahrhaftiger. Reitz' Ansatz war avantgardistisch, er drehte Kurz-Dokumentationen über das Arbeitsleben. Mit Alexander Kluge arbeitete er zusammen, die Titel der gemeinsamen Produktionen wurden zu geflügelten Worten: "Abschied von gestern" (1966) und "In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod" (1974).

Als 1978 sein Projekt "Der Schneider von Ulm" floppte, ein Film über die Freiheitsutopie des Flugpioniers Albrecht Berblinger zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zog er sich zurück. Damals begann er die Arbeit an der "Heimat"-Trilogie, jener inzwischen 50 Stunden langen Chronik, die das Schicksal einer Familie aus dem fiktiven Ort Schabbach von 1900 bis 2000 ausbreitet. Der erste Zyklus hatte 1984 Premiere.

Reitz fand eine Erzählform, die dem Leben nahe kommt, anrührend und universell, selbst Stanley Kubrick gab sich als Verehrer des Monumentalwerks zu erkennen. Morgen wird Reitz 80 Jahre alt, man darf sich ihn als glücklichen Menschen vorstellen: Die Fortsetzung seines Lebenswerks ist in Arbeit. Der Titel: "Die andere Heimat".

(RP)
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