Emil Schumachers raue Malerei

Vor 100 Jahren, am 29. August 1912, wurde er in Hagen geboren, 1999 starb er auf Ibiza als einer der international bedeutendsten ungegenständlich arbeitenden Maler. Bis heute ist der Name Emil Schumacher eng mit Nordrhein-Westfalen verbunden.

Hagen Für das Restaurant des nordrhein-westfälischen Landtags hat Emil Schumacher, der vor 100 Jahren in Hagen geborene Maler, ein 22 Meter langes, mehr als drei Meter hohes Keramik-Werk in Schwarz, Weiß, Blau und Grau-Weiß geschaffen: leuchtende Farben, die einen ausdrucksstarken Gegenpol zum ebenmäßig vorüberfließenden Rhein schaffen. Ob Schumacher sich zu seiner Komposition vom Fluss hat anregen lassen, von dessen Wirbeln, Blasen und Strudeln unter der Wasseroberfläche, ob er Urkräfte der Natur ins Bild setzen oder einfach Farben dynamisch aufeinandertreffen lassen wollte, das zu entscheiden ist den tafelnden Parlamentariern und ihren Gästen überlassen.

Gäbe es Amt oder Titel eines nordrhein-westfälischen Staatskünstlers – dem Maler Schumacher hätte die Ehre gebührt. Denn der Auftrag für den Landtag war lediglich Folge ungezählter früherer Auszeichnungen. In mehrfacher Hinsicht war Schumacher Vorbild: einer, der sein Schaffen ständig erneuerte; einer, der Werke von unanfechtbar hoher Güte schuf; und nicht zuletzt einer, der auch in der Zeit des "Dritten Reichs" seiner künstlerischen und politischen Unabhängigkeit verpflichtet blieb.

Schumachers Thema war die Landschaft, zumal die Querformate bei aller vordergründigen Gegenstandslosigkeit meist eine Horizontlinie erahnen lassen. Die Farben wirken erdenschwer, teilen die Komposition in ein düsteres Unten oder Vorne und ein nur unmerklich helleres Oben oder Hinten.

Selten ist Schumachers Malerei glatt. Die Oberfläche der Leinwand oder des Holz- oder Aluminiumgrundes zeugt von Auseinandersetzung, ja Kampf mit den Materialien. Und das sind nicht nur Farben, sondern auch Blei, Asphalt, Papiermasse, Sand und Sisal. So gibt sich das Landschaftliche auch aus unmittelbarer Nähe zu erkennen: in schrundigen Flächen, in Spalten und Geflechten, in Furchen und Gerinnseln.

Landschaft wurde unter den Händen des Künstlers zum Stimmungsbild, die Gleichzeitigkeit von Düsternis und zurückhaltender Heiterkeit zum Seelenspiegel, zur inneren Landschaft des Menschen. Da war es nur konsequent, dass Schumacher seinen Bildern zu Beginn der 1960er Jahre auch Figürliches einpflanzte: Formen, die an Menschliches erinnern, ohne sich über Andeutungen hinauszuwagen.

In den späten Bildern hatte sich der Anteil des Figürlichen wieder erhöht. Manche dieser Werke lassen an archaische Felszeichnungen denken, auf denen sich schemenhaft Menschen und Tiere tummeln. Stierkampf und Rübezahl wurden zu Themen. Im Übrigen setzte der Künstler wie eh und je auf klangvolle Phantasiebezeichnungen. "Seram" und "Pilar", "Suram" und "Midun", so raunte es aus der Schumacherschen Titelwerkstatt.

Selbst wo es bizarr wird, liegt Bedächtigkeit, ja Schwermut über der Szenerie. Vergehen überwiegt das Werden, und durch alle Poesie scheint am Ende Vergänglichkeit. Das Heitere des Alterswerks hielt sich in engen Grenzen, die Landschaft blieb brüchig.

Schumacher war einer der ersten aus der jüngeren deutschen Generation von Malern, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Ausland Anerkennung ernteten. Nach einem Studium an der Kunstgewerbeschule in Dortmund hatte er sich noch gerade rechtzeitig ein wenig jenseits der Grenzen umsehen können, bevor er von 1939 bis 1945 als dienstverpflichteter technischer Zeichner in einem Rüstungsbetrieb arbeitete. Nach dem Krieg zählte er zu den Gründern der informellen Malerei in Deutschland, viel beachtet in mehreren Ausgaben der Kasseler "documenta".

Zwischen 1958 und 1977 lehrte Schumacher als Professor an der Kunsthochschule Hamburg, der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und an der Minneapolis School of Art. Nicht nur den Studenten hatte er seine Begeisterung für die Kunst vermittelt, auch seinem Sohn Ulrich, der dem Josef-Albers-Museum in Bottrop vorstand und die Leitung des Emil-Schumacher-Museums in Hagen übernahm.

Emil Schumacher starb 1999, hat die Eröffnung "seines" Museums 2009 also nicht mehr erlebt – wohl aber die lange Vorgeschichte dieses Baus, der zwischenzeitlich weit entrückt zu sein schien. Denn die hoch verschuldete Stadt Hagen konnte sich ein solches Museum nicht leisten. Da erklärte sich das Land NRW bereit, den Großteil der Kosten in Höhe von 26 Millionen Euro zu übernehmen, und Schumachers Sohn brachte seine umfangreiche Sammlung von Werken seines Vaters in eine Stiftung ein.

Emil Schumachers künstlerischer Nachlass, der nun in diesem Museum zu betrachten ist, besteht fast ausschließlich aus späten Werken. Emil Schumacher hatte nämlich stets dafür gesorgt, dass seine Bilder das Atelier möglichst rasch verließen. Wer kaufen wollte, wurde auf dem Weg über den Handel umgehend bedient. Und wenn Schumacher eines der früheren Bilder noch einmal sehen wollte, musste er im Zweifelsfall nach Düsseldorf in die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aufbrechen. Deren Gründungsdirektor Werner Schmalenbach war unter Schumachers zahllosen Bewunderern einer der kompetentesten.

Emil Schumachers Werk ist in den 13 Jahren seit dem Tod des Malers an seinem Zweitwohnsitz auf Ibiza nicht in Vergessenheit geraten. Bilder von ihm gehören auf klassischen Kunstmessen nach wie vor zum unabdingbaren Angebot, und Sammlungen zur Nachkriegsmoderne wären ohne einen Schumacher nur die Hälfte wert.

(RP)
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