Elmar Wepper brilliert als Grantler

In "Dreiviertelmond" spielt der 67-Jährige einen Taxifahrer, der sich um ein türkisches Mädchen kümmern muss. Die Rolle in dem sehenswerten Film wurde dem Schauspieler auf den Leib geschrieben. Zu erleben ist eine beschwingte Geschichte ohne die genreüblichen Rührseligkeiten.

Ein mürrischer Alter wird durch den Umgang mit einem Kind ein neuer Mensch: Das ist ein beliebter Stoff für Komödien, die aber häufig im Brei billiger Sentimentalitäten auszurutschen. "Dreiviertelmond" signalisiert schon mit der Eröffnungssequenz, dass diesmal zwei ganz ungewöhnlich sture Hauptfiguren aneinandergeraten werden. Da fliegt vor einem Autofenster eine schwere Türklinke, von einer kindlichen Faust umklammert, durch das Verkehrsgewühl von Istanbul. Die kleine Hayat will sich von diesem Pfand für ihre Rückkehr zur heimischen Wohnung nicht trennen, und im Flughafen kann ihre Mutter Gülen die Kontrolleure an der Sicherheitsschleuse überzeugen, dass es besser ist, die Kleine samt dem vorschriftswidrigen Metallstück passieren zu lassen, anstatt entsetzliches Geschrei zu provozieren.

Hayat wird bei ihrer in Deutschland lebenden Großmutter untergebracht, weil die alleinerziehende Mutter Gülen in der Türkei einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff antritt. Hayat landet jedoch nicht in Berlin oder einer anderen der kino-üblichen deutschtürkischen Metropolen, sondern in Nürnberg, und das liegt "nicht in Bayern, sondern in Franken", wie der Taxifahrer Hartmut in strengem Oberlehrer-Ton erläutert, um alsbald sein Missvergnügen an allen türkisch oder sonst wie ausländisch aussehenden Mitbürgern mit sprühender Gehässigkeit auszuleben. Elmar Wepper verkörpert diesen fränkisch zänkischen Menschenfeind wunderbar nuanciert als mal befremdliche, mal verständliche, niemals zur bloßen Karikatur entgleisende Figur, fern von der Tränenseligkeit seiner viel gefeierten Rolle in "Kirschblüten – Hanami".

Christian Zübert, der Drehbuchautor und Regisseur, rafft mit geschicktem Tempo die Vorgeschichte, bis sich Hayat nach dem Tod ihrer Großmutter in der fremden Stadt so hartnäckig an den mürrischen Taxifahrer Hartmut klammert wie zuvor an die heimische Türklinke. Alle Versuche, das kleine Mädchen loszuwerden, enden mit Geschrei.

Manchmal amüsiert er sich über Hayats Eifer, Deutsch zu lernen, indem sie die Schimpfwörter einübt, mit denen er Verkehrsteilnehmer bedenkt, wenn sie ihm die Vorfahrtsrechte streitig machen. Er steuert sein Taxi mit zusehends unfallträchtigem Missmut, je deutlicher er erkennt, dass ihn seine Frau nach 30 Ehejahren endgültig verlassen hat. Auch seine Tochter hat keine Zeit, die kleine Hayat bei sich aufzunehmen, wirft aber dem Vater vor, dass er in den Ruf eines bösen Onkels gerate, weil er das Kind bei sich wohnen lässt. Bis es ordentlich kracht: Nach einem schweren Unfall freut sich Hartmut nicht etwa über das Glück, überlebt zu haben, sondern schämt sich für das Übersehen eines Verkehrsschilds fast noch mehr als für sein listig eingefädeltes Manöver, Hayat bei ihrem fremden, ungeliebten (deutschen) Vater loszuwerden.

Doch als Hartmut sich endlich mit großväterlichem Vergnügen auf ein Leben mit Hayat einlässt, erscheint auch schon die Mutter, um das Kind heimzuholen. Christian Zübert erlaubt seiner beschwingten Komödie kein überzuckertes Happy-End. Der verlassene Hartmut macht allein eine Ferienreise nach Istanbul. Dort wird nach dem arg lieblos bebilderten Nürnberg ein neuer, orientalisch farbenprächtiger Wohlstand in einer Fußgänger-Zone ekstatisch gefeiert.

Auch dies gehört zu den ironisch moderne Realitäten brechenden Klischees dieses Films "Dreiviertelmonds": Im grauen Deutschland bleiben Türken als Rentner oder Döner-Verkäufer. Junge, gut ausgebildete Deutschtürkinnen wie Gülen dagegen ziehen in die vitale Türkei, um Karriere zu machen. llll

(RP)
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