Berlin Eliassons kleine Sonne soll die Welt verändern

Berlin · Eine Art von politischem Manifest stellt Olafur Eliasson seiner Lampe in Sonnenform ("Little Sun") im Internet an die Seite. "Die kleine Sonne soll Licht ins Leben bringen, den Platz zum Kochen erhellen, zum Essen. Beim Lesen, Schauen und Betrachten dienlich sein. Die mit Solarenergie arbeitende Lampe ist zum Leben da, sie soll Lernplätze für lesende Kinder und solche Orte beleuchten, an denen der Lebensunterhalt verdient wird." Und doch ist dieser Gebrauchsgegenstand Kunst. Kunst, die die Welt verändern kann. Ein unspektakuläres Plastikteil in Größe und Form einer Sonnenblume, das in der Londoner Tate ab 28. Juli gezeigt wird und für rund 21 Euro von jedermann online erworben werden kann (www.littlesun.com).

Olafur Eliasson ist ein Künstler, der mit Materialien und physikalischen Phänomenen arbeitet, die ungewöhnlich, unfassbar und abseitig erscheinen. "I grew up in solitude and silence", heißt eines seiner Kunstwerke, das eine Kerze auf einem Glasrund zeigt. Einsam und still ist der 45-Jährige in der wilden Kargheit Islands aufgewachsen, von diesem Ursprung lebt sein Werk. Dampf, Nebel, Licht, Schatten, Wind, Wasser, Treibholz, Lava oder Eis setzt er ein, bringt die Werkstoffe in Bewegung oder verursacht Spiele und Spiegelungen. Die riesigen motorbetriebenen Mobilees des in Berlin lebenden Dänen beherrschen Museumsräume in international bedeutenden Museen. In London tauchte er im Jahr 2003 die Turbinenhalle der Tate Modern in künstliches Sonnenlicht. In New York installierte er 2008 einen gigantischen künstlichen Wasserfall an der Brooklyn Bridge. In Düsseldorf dampft und leuchtet es seit 2011 orangefarben aus den Außenbecken der Kunstsammlung NRW. Man muss schon auf den rechten Augenblick warten, bis man der großen, tageszeitabhängigen Installation gewahr wird.

Nun aber sehen wir auf diese kleine preiswerte Sonne des großen Künstlers, der sagt: "Ich wollte die Arbeit mit Licht nicht auf Museen und Ausstellungen begrenzen, sondern die ganze Welt einbeziehen." Ein Kunstwerk ist niemals nur ein Objekt, das ein einzelner Mensch betrachtet. In ihm sind Erfahrungen gespeichert, es kann benutzt werden, es ist sinnlich und erfreut einzelne Menschen. Es wirft Fragen auf und verändert das Denken, schließlich sogar das praktische Leben. Davon ist Eliasson überzeugt.

So ist "Little Sun" nach Aussagen von Eliasson als künstlerische Reaktion auf die weltweite Situation zu verstehen, in der 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität haben. Das bringe ihnen enorme Nachteile für ihr Leben, für ihre Erwerbsmöglichkeiten und für die Erziehung ihrer Kinder. Mithilfe der solargetriebenen Lampe, die drinnen wie draußen funktioniert, könnten Menschen von natürlicher Energie profitieren. Die Kosten würden radikal reduziert: über drei Jahre könnte eine Familie 90 Prozent ihrer Energiekosten einsparen.

Sogar besser für die Gesundheit sei dieses Licht, behaupten Eliasson und der technische Entwickler Frederik Ottesen, denn es ersetze die gefährlichen Kerosinlampen. Das Wichtigste aber ist die Hoffnung – Eliasson baut auf das Licht und darauf, dass Kunst jedermann erreicht und weltweit Perspektiven erweitern kann.

(RP)
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